Traibach: Planung und Wirklichkeit - ethos.at Erwiderung

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2. Oktober 2024

Sehr geehrter Herr Dr. A.F.M.

sehr geehrter Herr Landeshauptmann!

vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten auf alle Punkte meiner Betrachtungen! Die letzte und wesentliche Frage bleibt jedoch unbeantwortet: cui bono?

Dafür bestätigen Ihre Ausführungen über den „1. Bauabschnitt“ das Gerücht, wonach es einen 2. Bauabschnitt geben soll. Ich ersuche umgehend um Bekanntgabe aller bisherigen Annahmen und Planungen zu diesem Bauabschnitt. Die Gemeinde Langenwang hat mir Pläne nur über Bauabschnitt 1 vorgelegt.

Mit allen Informationen, die Sie angeführt haben, bestätigen sie lediglich, dass die Behörden gemäß Vorgaben gearbeitet und somit rechtmäßig entschieden haben. Diese Tatsache wurde nie in Zweifel gezogen. Die Inhalte meiner Ausführungen, insbesondere die Problematik möglicherweise falscher Prämissen, wurden damit an keiner Stelle widerlegt.

Auf Punkt 2.1 – die ökologische Gesamtbetrachtung des Traibach – antworten Sie mit der Auflistung der Maßnahmen im geplanten Bauabschnitt. Ein scheinbar unbedeutender Teil davon steht exemplarisch (pars pro toto) für die Unsinnigkeit des gesamten Projektes: „die Hebung eines bestehenden Wirtschaftsweges (inkl. Neuerrichtung einer bestehenden Wirtschaftsbrücke) auf der rechten Uferseite“. Die sogenannte „Wirtschaftsbrücke“, die neu errichtet werden soll, ist eine morsche, mittlerweile zugewachsene Holzbrücke (siehe Foto), die wirtschaftlich seit mindestens drei Jahrzehnten nicht mehr genutzt wird! Das ist auch überflüssig, da der einzige Benutzer der „Wirtschaftsbrücke“ ca 300 Meter weiter in unmittelbarer Nähe zu seinem Hof eine neue Brücke anlässlich der Errichtung der Semmeringschnellstraße erhalten hat. Hier aber wurde offenbar weder hingeschaut, noch nachgedacht über die „banale“ Frage: Wozu soll diese Brücke neu errichtet werden, anstatt sie ersatzlos zu entfernen?

Traibach sog Wirtschaftsbrücke

Foto von HTH, 2.10.2024 die "Wirtschaftsbrücke"

Ähnlich unsinnig „die Adaptierung von fünf nicht passierbaren Querbauwerken (Stein- und Holzgurte)“ zur „Verbesserung der Fischpassierbarkeit“. Keine dieser Wasserschwellen ist höher als einen halben Meter. Diese Höhe überspringt jede gesunde Forelle ohne „Verbesserung der Fischpassierbarkeit“.

Über alle anderen Fakten kann man aus wissenschaftlicher Sicht genauso streiten. (Laut Konrad Lorenz ist Wissenschaft ein ständiges Pendeln zwischen Pro und Contra.) Unbestreitbar ist jedoch die Tatsache, dass hier aufgrund von 100-jährigen Prognosen ein Bauwerk errichtet werden soll. Prognosen, die in den vergangenen 100 Jahren nicht eingetreten sind und die bei genauer Beobachtung auch in den regenstarken Sommermonaten der vergangenen Jahre nicht eingetreten sind. Prognosen, die das natürliche Verhalten des gesamten Flusses ignorieren oder (bewusst?) ausklammern.

Daher nochmals die Frage: cui bono? Dies ist – mit Verlaub – eine politische Frage, die auf politischer Ebene zu diskutieren ist, nicht durch Delegierung auf einen Fachbereiche! Ergänzend zu bisherigen Zusammenfassung (die zu Recht von der Abteilung Wasserwirtschaft, Katastrophenfonds nicht beantwortet wurde) daher meine philosophischen Einwände:

1. Das natürliche Verhalten des Flusses Traibach vom Ursprung bis zur Einmündung in die Mürz wird ignoriert.

2. Die Interessen der Menschen werden ignoriert (fünf Häuser hinter der Staumauer werden geschützt, während fünf Häuser vor der Staumauer im von den Planern angenommen Worst Case erst recht geflutet werden.)

3. Die nicht geprüften Annahmen werden weiterhin nicht geprüft.

4. Die ausgeklammerten, potenziellen Probleme werden weiterhin ausgeklammert.

5. Die weiteren Bauabschnitte bleiben im Dunkeln.

Aus demokratiepolitischer Sicht sind alle diese Fakten höchst bedenklich! Sehr viel ist in den vergangenen Jahren von der „Spaltung der Gesellschaft“ die Rede. Aus philosophisch-ganzheitlicher Sicht gibt es keine Spaltung der Gesellschaft, sondern eine Spaltung zwischen Gesellschaft und Staat. Das vorliegende Projekt ist ein Beispiel dafür.

Bei meinen Recherchen konnte ich nicht herausfinden, wer, wann, warum und wozu die Entscheidung für den Staudamm Traibach getroffen hat. Feststellen lässt sich nur noch, dass sich das Projekt verselbstständigt hat.

Das System (der Apparat und seine Mitarbeiter) geht nach Vorschriften vor, die, wie die Ausführungen des Büros der Landesrätin Simone Schmiedtbauer beweisen, einen bestimmten Rahmen nie überschreiten dürfen. Alle einzelnen Organe des Systems haben quasi ihren eigenen Hochwasserschutz und können daher die gesamtheitliche Betrachtung, die hier vorgenommen wurde, nicht berücksichtigen. Alle einzelnen Organe des Systems haben für sich selbstverständlich richtig und rechtmäßig gehandelt.

Wissenschaftlich betrachtet besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass das Gesamtergebnis trotzdem falsch ist. Das System aber erlaubt es nicht, diese Möglichkeit zu prüfen oder die Möglichkeit ins Auge zu fassen, ein Projekt, das auf Schiene ist, zu stoppen. Dieses System erinnert stark an Planwirtschaft aus Zeiten der DDR: Wen kümmern die Einwände von einem „einfachen Bürger“ dieses Landes, der schon oft als Querdenker (aus Sicht der Behörde vermutlich ein „krankhafter Querulant“) aufgefallen ist.

Mein Appell daher nochmals an den Landeshauptmann persönlich, nicht als oberstes Organ der Vollziehung (BV-G Artikel 19) , sondern als Politiker, der massives Interesse haben muss, die Spaltung zwischen Staat und Gesellschaft zu überwinden. Bitte um Prüfung, ob angesichts notwendiger Renaturierungsmaßnahmen für dieses Neubauprojekt (und viele weitere, die ich aus eigener Ansicht nicht kenne) Millionen an Steuermitteln verschwendet werden sollen!