Der CEO verweist bei der Gelegenheit einmal mehr auf das Ziel 2030: "Durch die Konzentration auf unsere flexible und erneuerbare Energieerzeugung in Großbritannien erwarten wir eine weitere Reduzierung der CO2-Emissionen des Konzerns, was unsere Ambitionen, bis 2030 nicht nur CO2-neutral, sondern auch CO2-negativ zu werden, beschleunigen dürfte." Will Gardiner will noch mehr: Drax soll von Nordamerika über Europa bis Asien zum "weltweit führenden Unternehmen für die Erzeugung und Versorgung mit nachhaltiger Biomasse" werden. Diesem Ziel ist Drax mit seinem jüngsten Deal einen großen Schritt näher gekommen - begleitet vom Rauschen im Walde, verursacht diesmal von 19 Umweltorganisationen.
Drax übernimmt Pellets-Hersteller in Kanada
Biofuelwatch, Dogwood Alliance, Fern, Robin Wood und sogar Green Camel Bell aus China (nicht dabei WWF) schrieben im März 2021 einen gemeinsamen Brief an die Aktionäre von Drax. Einen Monat vor der Hauptversammlung wollten sie damit die Übernahme von Pinnacle Renwable Energy, einem der größten Pellets-Hersteller Kanadas, verhindern. Einleitend wird behauptet, die Übernahme sei bei weitem nicht nachhaltig, führe zu einem Verlust der Biodiversität und verletze die Landrechte der indigenen Bevölkerung. Darauf folgt die Aufzählung finanzieller Risiken:
"Angesichts der Ungewissheit über die Zukunft von Biomasse und des wachsenden Bewusstseins der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträger, dass sie weder CO2-neutral noch nachhaltig ist, ist es ein enormes Risiko, eine große Akquisition wie Pinnacle zu übernehmen, die sich als Fehlinvestition erweisen könnte." Weiters machen sich die Autoren Sorgen um die Reputation der Investoren: "In British Columbia, wo sich die kanadische Exportindustrie für Holzpellets konzentriert, haben Untersuchungen gezeigt, dass Pinnacle das Holz für seine Pellets durch Kahlschlag und Abholzen ganzer Bäume aus Primärwäldern bezieht. Darüber hinaus zeigt Stand.earth in einer Analyse aller Betriebe von Pinnacle in BC, dass Pinnacle sehr wahrscheinlich Holz aus bedrohten Arten im gemäßigten Regenwald gewinnt."
Eine Woche vor der Hauptversammlung, am 13. April 2021 wurde der Deal trotz dieser Intervention finalisiert. Drax hat Pinnacle um 226 Millionen Pfund übernommen. Der Energiekonzert stockt damit die eigenen Produktionskapazitäten von bislang 1,6 Millionen auf 4,9 Millionen Tonnen Pelltes pro Jahr auf und besitzt nun 17 eigene Pelletwerke in Westkanada und im Südosten der USA. Positiver Effekt am Rande: die Einkaufspreise für Pellets sinken, die Produktionskosten von Pinnacle liegen um 20 Prozent unter denen der bisherigen Pelletwerke von Drax. Teurer als bislang dürften aber die Transportkosten vom Westen Kanadas bis ins britische North Yorkshire werden. Entweder fallen hohe Gebühren für den Panamakanal an, oder lange Bahntransporte quer durch Kanada.
CEO Gardiner, das Feindbild der Naturschützer, kann sich zufrieden zurücklehnen: "Wir gehen davon aus, dass wir von Pinnacles operativem und kommerziellem Know-how profitieren werden. Der Deal positioniert Drax als weltweit führendes Unternehmen für die Erzeugung und Versorgung mit nachhaltiger Biomasse und macht uns zu einem wirklich internationalen Unternehmen, das Biomasse von Nordamerika über Europa bis Asien handelt." Man kann davon ausgehen, dass damit der Expansionsdrang des Unternehmens noch nicht gesättigt ist.
Drax History
Drax wurde 1962 in unmittelbarer Nähe von großen Kohlefeldern errichtet und war - bis zur Privatisierung in den 1990er Jahren - in Staatsbesitz. 1999 hat der größte US-Energiekonzern AES das größte britische Kraftwerk um 1,87 Milliarden Pfund (damals drei Milliarden Dollar) übernommen. Kein gutes Investment, wie sich bald herausstellen sollte, denn 2002 fielen die Strompreise auf 15 Pfund pro Megawattstunde und AES bekam Probleme mit der Refinanzierung. Nach einer Reihe von Stillhalteverträgen mit den Banken trennte sich die AES Corporation von Drax im August 2003. Zwei Jahre später brachten die Banken das größte Kohlekraftwerk des Landes an die Börse. Aus dem Kraftwerk in North Yorkshire wurde die Drax Group, der erste Zukauf erfolgte im Jahr 2009 mit Haven Power, womit das Unternehmen in das Endkundengeschäft einstieg. 2015 wurde der britische Pellets-Lieferanten Billington Bioenergy übernommen und 2017 wieder verkauft. Die Lieferkapazitäten dieses Betriebs waren für den wachsenden Bedarf von Drax offenbar zu gering.
2016 übernahm Drax für 340 Millionen Pfund Opus Energy, das 100 Prozent erneuerbare Energie an Unternehmen verkauft. Die Kunden von Opus Energy können damit ihre vorgegebenen Klimaziele erreichen. 702 Millionen Pfund kostete die Übernahme von Scottish Power. Aus dem Portfolio wurde die Gaskraftwerke wieder verkauft, verblieben sind Fluss und Speicherkraftwerke in Schottland.