Sir John Beddington
An der Stelle darf auch der Hinweis nicht fehlen, dass Drax alles unternehme, um die Biodiversität zu schützen und für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse der lokalen Bevölkerung zu sorgen. Darüber hinaus garantiere ein unabhängiger Beirat, "dass die Stakeholder sicher sein können, dass die Strategie von Drax unter ständiger Beobachtung steht und dass die Biomasse, die wir verwenden, gemäß der neuesten wissenschaftlichen Forschungen und Verfahren erfolgt", so der CEO. Ein Independent Advisory Board (IAB ) unter Leitung von Sir John Beddington sorge für die Einhaltung der wissenschaftlichen Richtlinien. Sir Beddington war von 2008 bis 2013 persönlicher Berater der britischen Premierminister in Sachen Technologie und Wissenschaft.
Bei aller Integrität der Person drängt sich der Verdacht auf, dass das IAB ein Feigenblatt des Energieriesen ist. Im Struktogramm des Konzerns, das unter Audit auch einen eigenen Ausschuss für Ethik und Geschäftsgebarung verzeichnet hat, findet sich das IAB nicht. Der Beirat wird im Geschäftsbericht 2020 nur am Rande drei Mal erwähnt: sowohl bei den NGOs als auch bei den Think Tanks, mit denen Drax arbeitet, und nicht zuletzt im Kapitel Nachhaltigkeit: "Das IAB bestätigte, dass unsere Beschaffungspolitik mit den Empfehlungen von Forest Research im Einklang stehen. [...] Bei Drax verwenden wir Holzpellets aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und Rückstände aus der Forstindustrie, um kohlenstoffarmen, erneuerbaren Strom zu erzeugen. Wir stellen sicher, dass unsere Biomasse nachhaltig und durch das Sustainable Biomass Program (SBP) zertifiziert ist. Im Jahr 2020 waren 99 Prozent der von uns beschafften Holz-Biomasse SBP-konform."
Stimmen die Zahlen im Brief an Anne-Marie Belinda Trevelyan [Anmerkung 19.1.23: damals Minister for Energy, Clean Growth and Climate Change, seit Oktober 2022 Minister of State in the Foreign, Commonwealth & Development Office], wonach Drax im letzten Jahr 7,1 Millionen Tonnen Pellets verfeuert hat, dann wären ein Prozent davon immerhin 71.000 Tonnen ungeklärter Herkunft, die den Umweltorganisationen Anlass zu Spekulationen geben. Bei den Unterzeichnern des Briefes an die Wirtschafts- und Energieministerin fällt das Fehlen des WWF auf. Dafür findet sich WWF im Jahresbericht von Drax - neben Greenpeace und RSPB (Royal Society for the Protection of Birds) als Beispiele zahlreicher Non Profit Organisation, die von Drax finanziell unterstützt werden.
Auch SBP ist eine Non Profit Organisation, die zwar publiziert, dass sie rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr an Ausgaben verbucht, nicht aber, woher die Einnahmen kommen. Der Organisation steht der Geschäftsführer Francis Sullivan vor. Der Beirat der Organisation setzt sich zusammen aus je drei Vertretern der Zivilgesellschaft, der Pellets-Produzenten und der Biomasse-Endkunden. Letztere vertreten höchst persönlich von Will Gardiner, CEO von Drax. Man kann davon ausgehen, dass die zertifizierten Unternehmen identisch sind mit den Unternehmen, die SBP finanzieren. Daran ist nichts Ungewöhnliches. Alle Rating-Agenturen werden von den Organisationen finanziert, die sie einem Rating-Verfahren unterziehen. Es fällt lediglich auf, dass eine Organisation, die für Transparenz sorgen will, zu diesem Thema nichts veröffentlicht und in dem wichtigen Bereich intransparent bleibt.
Strommix Großbritanniens
Das Department for Business, Energy & Industrial Strategy (kurz: BEIS) hat in seinem jüngsten Bericht (25. März 2021) einen Überblick über die Stromerzeugung Großbritanniens gegeben. Demnach sind die Kapazitäten in den vergangenen zwanzig Jahren stetig gestiegen, wobei die installierte Gesamtleistung seit 2017 über 100 GW beträgt, das entspricht einem Anstieg um ein Drittel seit der Jahrtausendwende. In den vergangenen zehn Jahren gab es dramatische Verschiebungen: der Anteil der Fossilen ist von ihrem Höhepunkt im Jahr 2010 (71,0 GW) zurückgegangen, während die Stromerzeugung aus erneuerbaren Kapazität schnell angestiegen ist. Im Jahr 2019 übertraf die Kapazität Erneuerbarer zum ersten Mal den Anteil der fossilen Kraftstoffe, wobei erneuerbare Stromerzeuger 47,1 GW und Erzeuger mit fossilen Brennstoffen 43,9 GW bereit stellten. Die erneuerbaren Technologien 2019 waren Onshore-Wind (14,1 GW), Solar (13,3 GW) Offshore-Wind (10,0 GW) und Bioenergie (7,8 GW im Jahr 2019), deren Kapazität seit 2013 (nach der Umstellung von Kohlekraftwerken auf Biomasse bei Drax und Lynemouth) rasant gestiegen ist.