Nicht zuletzt investiert Drax in BECCS-Technologien. Die Abkürzung steht für Bioenergy Carbon Capture and Storage. Damit soll künftig CO2 direkt aus den Abgasen abgespalten und danach sicher gelagert werden. Drax widmet dem Thema große Aufmerksamkeit, nachdem der britische Ausschuss für Klimaänderungen im Dezember 2020 erklärte, dass 53 Millionen Tonnen CO2 durch BECCS gesichert werden müssen, damit das Land CO2 Netto-Null erreicht.
Die Positionierung von Drax als Weltmarktführer für Energie aus Biomasse ist betriebswirtschaftlich nicht nur legitim, sondern sogar vorbildlich. Es ist eine herausragende Leistung des Managements von Drax, rechtzeitig auf geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen reagiert und die Konversion eingeleitet zu haben. Dass sich Drax als Vorreiter bei Erreichung der Klimaziele positioniert, ist nicht nur eine PR-Show - das entspricht den Pariser Klima-Zielen, die durch die EU-Direktiven RED und RED II zu verbindlichen Vorgaben für die Unternehmen wurden. Großbritannien bemüht sich auch nach dem EU-Ausritt unter den Spitzenreitern in der Umsetzung der Klimaziele zu bleiben.
Hohe Subventionen für Bioenergie
Die Schattenseite dieser Entwicklung werden im Jahresbericht 2020 jedoch geradezu schamhaft versteckt. Lediglich an zwei Stellen im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen. So erfährt man beim Thema "Sachanlagen", dass Drax Subventionen bezieht: "Die durchschnittlich verbleibende wirtschaftliche Nutzungsdauer für Anlagen im Kraftwerk Drax beträgt 17 Jahre. Dieser ist kürzer als die 19 Jahre bis zur aktuellen Schätzung des Endes der Stationslebensdauer im Jahr 2039, geht aber über das Enddatum der derzeitigen Subventionen für die Biomasse-Erzeugung hinaus, das ist im Jahr 2027. Das Ende der Subventionen im Jahr 2027 sieht der Konzern nicht als Indikator für Wertminderungen für diese Vermögenswerte, was unsere Erwartungen an die Biomasse-Erzeugung über diesen Zeitpunkt hinaus widerspiegelt."
Und im Kapitel "Strategie" erklärt die Geschäftsführung, die Gruppe wolle "langfristige Wachstumschancen schaffen, einschließlich Investitionen in neue Technologien für alternative Kraftstoffe, von denen wir glauben, dass sie das Potenzial haben, die Erträge über 2027 hinaus zu stützen, wenn die Subventionen, die wir für die Stromerzeugung aus Biomasse erhalten, gekürzt werden." Im gleichen Kapitel erfahren die Aktionäre immerhin, dass Drax hart daran arbeitet, die Produktionskosten pro MWh Biomasse-Strom auf 50 Pfund zu senken.
Fünf Jahre davor, im Jahresbericht 2015, taucht der Begriff "Subventionen" nur ein einziges mal auf, hier jedoch in der Rubrik "Bericht über die grundsätzlichen Risiken", wo ganz unverblümt zu lesen ist: "Die Aussichten des Konzerns hängen auch stark von der Regierungspolitik in Bezug auf Subventionen für die Erzeugung erneuerbarer Energien ab. Wenn es nicht gelingt, ausreichende Subventionen zu sichern und beizubehalten, könnte dies wesentliche Auswirkungen auf die Lebensfähigkeit des Konzerns haben."
Offenbar haben sich die Manager von Drax an die üppigen Subventionen der britischen Regierung gewöhnt, sodass sie ein abruptes Ende mittlerweile ausschließen. Genaue Angaben über die Höhe der Fördergelder, die Drax seit 2012 bezogen hat und voraussichtlich bis 2027 beziehen wird, findet man auf der Webseite von Ember, einem Think Tank für Klima- und Energiefragen. Demnach habe die Drax Group 2020 insgesamt 832 Millionen Pfund an direkten staatlichen Subventionen erhalten (43 Millionen mehr als ein Jahr davor). 490 Millionen dieses Betrags entfielen laut Ember auf ROCs (Renewables Obligation Certificates), das sind Zertifikate, die Drax für jede MWh bekommt, die mit Erneuerbaren produziert wurde. 342 Millionen Pfund flossen aus einem CfD (Contract for Difference), der sich jedes Jahr ändert, abhängig von der Menge an Holz-Pellets, die verbrannt wurden. Darüber hinaus habe Drax Steuererleichterungen aus CO2-Steuern in Höhe 258 Millionen Pfund gebucht (246 Millionen 2019).
Ember rechnet vor, dass Drax von 2012 bis 2027, wenn die staatliche Unterstützung ausläuft, mehr als 10 Milliarden Pfund an Subventionen akkumuliert haben wird. Wenn CEO Gardiner erklärt "Unser Niveau der erneuerbaren Erzeugung ist nur möglich dank einer Kombination aus hoher Verfügbarkeit der Anlagen und einer widerstandsfähigen Lieferkette", so sollte er sich zumindest in einem Nebensatz auch beim britischen Steuerzahler bedanken, der die hohen Kosten der Konversion bezahlt und dafür sorgt, dass die Aktionäre von Drax jedes Jahr ihre Dividende erhalten.
Drax will der führende Konzern der britischen Energiewende werden - und hat sich zur Erreichung dieses Zieles ein eigenes System errichtet. Ob das dem Ideal einer ökologischen Kreislaufwirtschaft oder eher einem geschlossenen System entspricht, sei dahin gestellt. An der Stelle sei an den Philosophen Karl Popper erinnert, der die offene Gesellschaft als Ideal der Demokratie gesehen hat. Man kann daraus den Schluss ziehen, dass offene Systeme auch das Ideal der Wirtschaft sein sollten. Tatsache ist, dass Monopolbildungen in der jüngsten Wirtschaftsgeschichte stark im Trend liegen.
Es gibt zumindest ein Land in Europa, wo der Einsatz von Biomasse eine längere Tradition als in Großbritannien hat und aufgrund seiner dezentralen Entwicklung zu keiner Monopolbildung führen kann: Österreich. Siehe: Tu Felix Austria [Anmerkung 19.1.23: Wenn auch keine Monopolbildung, so steht nach der Verdreifachung der Preise im Jahr 2022 der Verdacht im Raum, dass es zu einer Kartellbildung gekommen ist. Die Bundeswettbewerbsbehörde Österreichs hat im Herbst Untersuchungen eingeleitet.]