Rechtsphilosophische Bewertung
"Dies ist ein Beispiel für den krankhaft wuchernden Bürokratismus unserer Gesetzgebung, die dem Wähler bis ins letzte Detail vorgibt, wie er seine Stimme abzugeben hat. Nur die Farben der Unterhosen, die Österreicher und Österreicherinnen in der Wahlkabine tragen, sind noch frei und müssen von der Wahlbehörde nicht kontrolliert werden. Die fundamentale, demokratische Grundsatzfrage, wie lange die KandidatInnen Zeit zum Sammeln ihrer Unterstützungserklärungen haben müssen, wird dagegen nicht einmal gestellt, kann folglich vom BPraesWG auch nicht beantwortet werden", kommentiert der Moralphilosoph Hubert Thurnhofer, unser Kandidat 2022.
Beispielrechnung: Sollte die Wahl am 30. Oktober angesetzt werden, so müssen die Wahlvorschläge inklusive Unterstützungserklärungen am 24. September eingebracht werden. §7 Absatz (2) fordert weiters: "Die Unterstützungserklärung hat die Bestätigung der Gemeinde zu enthalten, dass die in der Erklärung genannte Person am Stichtag in der Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt (§ 21 Abs. 1 NRWO) war." Welcher Stichtag, was genau ist der Stichtag?
Die Antwort finden Rechtsgelehrte im § 1 BPraesWG: (1) Die Wahl des Bundespräsidenten ist von der Bundesregierung durch Verordnung im Bundesgesetzblatt auszuschreiben. Die Verordnung hat den Wahltag zu enthalten, der von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag festzusetzen ist. Die Verordnung hat weiters den Tag zu bestimmen, der als Stichtag gilt. Dieser darf jedoch nicht vor dem Tag der Wahlausschreibung liegen. (2) Die Verordnung der Bundesregierung über die Wahlausschreibung ist in allen Gemeinden durch öffentlichen Anschlag bekanntzumachen.
Der Stichtag erfolgt nach bisherigen Usancen unmittelbar nach der Wahlausschreibung. Somit ist es im Interesse der Parlamentsparteien, die eigene Kandidaten ins Rennen schicken, die Verordnung zur Wahl des Bundespräsidenten so spät wie möglich zu beschließen. Es wäre wohl schwierig zu argumentieren, wenn Anfang Mai die gesetzlich erforderliche Wahlausschreibung beschlossen würde und der Stichtag beispielsweise erst für den 1. September. Laut Gesetz wäre das möglich. Laut Gesetz wäre es aber auch möglich, dass der Stichtag mehrere Monate vor dem Wahltermin liegt.
"Rechtsphilosophisch betrachtet könnte man sagen, der Stichtag ist der Tag, an dem die herrschenden Parteien ihre Trümpfe, mit denen sie bislang jeden Stich gemacht haben, vorübergehend aus der Hand geben müssen. Offensichtlich geben sie ihre Trumpfkarten nicht gerne aus der Hand, doch wenn sie es müssen, dann für möglichst kurze Zeit", kommentiert unser Kandidat 2022 die geltende Rechtslage. "Nur Feinde der offenen Gesellschaft im Sinne von Karl Popper können solche Gesetze erlassen. Jede Unterstützungserklärung, jede Stimme für parteifreie Kandidaten, ist ein Beitrag zur Wiederherstellung der offenen Gesellschaft. Nur in einer offenen Gesellschaft kann sich wahre Demokratie entfalten."