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Coronatagebuch eines Querdenkers

Unser Kandidat 2022, hat vor exakt zwei Jahren, am 24. Mai 2020 in seinem Corona-Tagebuch  eines Querdenkers geschrieben:

Unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in der Nacht von Samstag auf Sonntag beim Wirten die Sperrstunde übersehen und ist um halb eins in der früh von der Polizei aufgegriffen worden. Wie die APA berichtet drohen nun bis zu 30.000 Euro Strafe – nicht für Van der Bellen, sondern für den Wirten, der den Präsidenten und seine Freunde nicht rechtzeitig raus geschmissen hat. Ein willkommener Anlass für alle Oppositionellen, sich auf den Präsidenten einzuschießen. Doch alle, die nun auf VDB zielen, schießen am Ziel vorbei.

Es ist ok, wenn man Schanigärten um 22.00 Uhr schließt, damit die Nachbarschaft in Ruhe schlafen kann. Doch so zu tun, als wäre die Corona-Ansteckungsgefahr nach 23.00 Uhr größer als vor 23.00 Uhr ist gesundheitspolitischer Schwachsinn. Schlimmer jedoch ist der gesellschaftspolitische Wahnsinn, den Wirten haftbar zu machen für seine Gäste! Solche Einfälle - nein; Ausfälle! - kannte ich bislang nur aus Staaten, die ihre Bevölkerung mit Stasi-Methoden unter Kontrolle halten mussten. Und nur ein Stasi-Staat kann sich für Bagatelle-Vergehen maßlos hohe Strafen ausdenken.

Darüber kann ich mich aufregen, und nicht weil manche Menschen wieder gemütlich zusammen sitzen ohne dabei ständig auf die Uhr zu schauen.Kern des Skandals ist nicht VdB, obwohl verschärfend gilt, dass er das entsprechende Gesetz unterzeichnet hat. Kern des Problems ist die Gesetzgebung zur angeblichen Bekämpfung von Corona.

Also sprach Van der Bellen

Unser Kandidat 2022 hat das Buch des Autors VdB gelesen und dem Präsidenten VdB dazu einige Fragen gestellt. Und VdB hat geantwortet. Der Beitrag wurde erstmals am 31. Mai 2020 auf fischunfleisch veröffentlicht

Dass unser Bundes-Präsident Alexander van der Bellen die Sperrstunde übersehen hat, habe ich heute vor einer Woche kommentiert (siehe: Corona Tagebuch eines Querdenkers). Natürlich häuften sich seither Kommentare von Kritikern und selbst ernannten Pflichtverteidigern. Was mich daran interessiert ist aber nicht das Vergehen eines Einzelnen, sondern das System, insbesondere die Maßlosigkeit der Corona-Gesetzgebung, die für ein Bagatelle-Vergehen, das so schlimm wie Falschparken ist, bis zu 30.000 Euro Strafe vorsieht. Und darüber hinaus interessiert mich die Willkür der Corona-Gesetzgebung: just nach dem Fauxpas des Präsidenten wird die Sperrstund von 23 Uhr auf 1 Uhr verschoben.

Van der Bellen sei Dank gibt es Wichtigeres als die Diskussion über Sperrstunden. Und zwar die Diskussion über „Die Kunst der Freiheit“. Das nämlich ist der Titel des Buches, das Van der Bellen im 2015, also ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl veröffentlicht hat.

FRAGE 1:  Auf Seite 135 schreibt Van der Bellen – ein Jahr vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten: „Ein merkwürdiges Phänomen ist die Uniformierung von Meinungen, obwohl es eine lange Tradition der Pressefreiheit gibt. Das Muster: Wenn vier wichtige Journalisten einer Meinung sind, meinen in der Regel auch die anderen, dass es so ungefähr schon stimmen wird. Gegenargumente werden entweder nicht gehört, nicht mehr vorgebracht oder dämonisiert. Am Ende gibt es so etwas wie eine Einheitsmeinung, gegen die anzukämpfen es zusehends schwerer wird. Diese freiwillige Gleichschaltung der Medien betrifft Sachfragen ebenso wie schwierige, komplexe Konstellationen der Weltpolitik.“ Ich habe den Präsidenten gefragt: Wie beurteilen Sie diese Aussage in Hinblick auf die Gleichschaltung der Medien in Folge der Corona-Politik in Österreich und weltweit?

Und ich erhielt eine Antwort: Also sprach Van der Bellen: „In der ersten Phase des Lockdowns, unter dem Eindruck der Bilder aus der Lombardei, haben die meisten Medien die Maßnahmen der Regierung unterstützt – wie im übrigen auch die Opposition. Aber es gab auch kritische Stimmen. Nachdem absehbar war, dass Österreich in der Pandemie relativ glimpflich davongekommen war, setzte auch die öffentliche Diskussion, der normale demokratische Diskurs wieder ein, der sich auch in den Medien seither widerspiegelt.“

FRAGE 2: Auf den Seiten 136 bis 138 Van der Bellen – ein Jahr vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten: „ich bezweifle stark, ob die westlichen Demokratien das Ur-Meter der Demokratie- und Freiheitsentwicklung sein sollten. […] Vorgestanzte Demokratiemodelle kann man nicht eins zu eins in andere Weltregionen übertragen. Ebenso wie es verhältnismäßig liberale Autokratien gibt, gibt es illiberale Demokratien.“ Ich habe den Präsidenten gefragt: Welche der beiden Bezeichnungen „liberale Autokratie“ oder „il-liberale Demokratie“ trifft auf Österreich im Mai 2020 zu?

Und ich erhielt eine Antwort: Also sprach Van der Bellen: Österreich ist eine liberale Demokratie. Daran besteht kein Zweifel. Ich habe nicht die Sorge, dass wir in ein autoritäres System abgleiten. In der Situation einer Pandemie haben wir laufend abzuwägen, wie viel wir von einem Grundrecht hergeben, um ein anderes zu schützen. Wir haben laufend die Frage zu stellen, wie viel Freiheit wir bereit sind aufzugeben, um unsere Gesundheit zu schützen.

FRAGE 3: Auf Seite 154 schreibt Van der Bellen – ein Jahr vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten: „Verschweigen, vernebeln oder gegen die eigene Überzeugung reden kann im politischen Kontext manchmal sogar vernünftig und strategisch zielführend sein.“ Ich habe den Präsidenten gefragt: Haben Sie diese Maxime seit 11. März dieses Jahres selbst angewendet? Und haben Sie die Anwendung dieser Maxime nach dem Shutdown dem Bundeskanzler oder anderen Regierungsmitgliedern empfohlen?

Und ich erhielt eine Antwort. Also sprach Van der Bellen: „Was Sie hier zitieren ist eine Analyse, keine Handlungsanleitung. Und ich denke, angesichts der gesundheitlichen Bedrohung durch die Pandemie, musste niemand gegen seine Überzeugung handeln. Dass vereinzelt Fehler in der Kommunikation passiert sind, ist in der Nachbetrachtung evident. Doch wir wissen heute viel mehr als in damaligen Situation des Handelns. Politik muss aufgrund oft unvollständigen Wissens, unvollständiger Informationen handeln. Sie MUSS handeln, denn auch ein Nicht-Handeln, ein bloßes Zuschauen, ist ein Handeln.“

Soweit der Autor Van der Bellen und die Antworten des Präsidenten. Im Vorwort seines Buches betont der Autor, es sei „nicht das Programm eines allfälligen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten“ (S. 9) und sogar am Ende des Buches wollte er sich noch nicht festlegen: „Nun ist die Entscheidung, vor der ich beim Abschluss dieses Buches stehe, kein Heldenplatz-Drama. Aber wichtig genug ist sie: Soll ich für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten kandidieren? Politische Freunde raten mir zu, private Freunde ab. Und ich muss Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, enttäuschen: Eine endgültige Entscheidung wird vermutlich auch beim Erscheinen dieses Buches noch nicht gefallen sein.“ (S. 161)

Ist es nicht sonderbar, dass Van der Bellen so lange gezögert hat? Ich muss gestehen, dass mich die Ausführungen des Autors mehr überzeugt haben, als die Antworten des Präsidenten. Denn die Aussagen des Autors waren kritisch, oft selbstironisch und manchmal sogar polarisierend, wie das Vernebelungs-Zitat. Es hat übrigens einen Vorspann: „Auch wenn ich mich damit nicht beliebt mache: Verschweigen, vernebeln oder gegen die eigene Überzeugung reden kann im politischen Kontext manchmal sogar vernünftig und strategisch zielführend sein.“ Dieser Vorsatz ist Vorsatz, also Bekenntnis, nicht Analyse. Dass Van der Bellen so lange getan hat, als ob er gar nicht wirklich ins Amt des Bundespräsidenten wolle, kann deshalb als Wählertäuschung gesehen werden. Zumindest als Täuschung der eigenen Parteimitglieder - denn einer Urabstimmung in seiner Partei hat er sich mit seinem Unabhängigkeits-Trick entzogen. Das ist Schade, denn er wär ja sonst ein netter Mensch, mit dem ich gerne einmal über „Die Kunst der Freiheit“ diskutieren würde. Insbesondere darüber, ob die Freiheitsrechte in unserer Verfassung ausreichend geschützt werden.