Matzka Manfred: Schauplätze der Macht - Geheimnisse

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Geheimnisse

... die Manfred Matzka in "Schauplätze der Macht" preis gibt, kennen politische Beobachter schon längst, beispielsweise dass die österreichischen Regierungen verfilzt waren und bis heute sind: "Neben der formalen Organisation von Ministerien existiert noch eine informelle: Seilschaften aus politisch miteinander verbundenen Parteifreunden, verschworene Klubs aus CV-Bundesbrüdern oder aus Freimaurern, lose Klubs und Netze zur gegenseitigen Karrierehilfe, Gewerkschaftsgremien, Bundesländer-Kreise oder einfach nur gute kollegiale Freunde, die gerne, effektiv und intensiv in einer langjährig bewährten Gruppe zusammenarbeiten." (12)

Unter Bundeskanzler Josef Klaus, ab 1964, "wurde das Klima hier kälter, denn Kanzler und Vizekanzler konnten definitiv nicht miteinander. Die große Koalition hatte sich historisch überlebt und schlitterte in die Agonie. Am Ballhausplatz gab es aber eine Konstante: Präsidialchef Chaloupka. Es waren allerdings nicht nur die Funktion und lange Amtsdauer, die seine legendäre Stärke im Haus ausmachten, er war auch Vorsitzender des Österreichischen Cartellverbands. Die besondere Bedeutung, die der CV in der Personalrekrutierung der Republik in dieser Zeit erlangte, ging auf seine kompromisslose Personalpolitik zurück, die in alle Ressorts hineinwirkte." (38)

"Das Ressort [Anm: Außenministerium] ist nicht nur stark wegen seiner wohlorganisierten Zentrale am Minoritenplatz, seiner renommierten Akademie in der Favoritenstraße und seiner teilweise über Österreichs Bedeutung hinausgehenden imposanten rund 100 Botschaften und Vertretungen. [...] Es ist vor allem die sehr eng vernetzte soziale Gruppe der Diplomaten, die Stärke garantiert: alte Familien – man muss nur die Namenliste der Botschafter lesen – die seit Hunderten Jahren die auswärtigen Beziehungen dominierten, und deren Söhne und Töchter wie durch ein Wunder immer noch bei den Aufnahmeprüfungen besser abschneiden als andere." (68)

"Unter Molterer begann ein immer zäher werdendes Gerangel in der Regierung – nicht Kompromiss war das Ziel, sondern das Abschießen jeder Initiative des „Partners“. Die Macht des Finanzressorts wurde destruktiv eingesetzt,große Kabinette übten sich in Palastintrigen. [...] Den folgenden Finanzministern der ÖVP – Spindelegger, Schelling, Löger, Blümel – sind zwei Entwicklungen gemeinsam: einerseits die Festigung der Macht des Ressorts über die staatsnahen Unternehmen, Konzerne und Beteiligungen, andererseits aber das Ende der Kreativität und Reform des Finanzwesens – zeitlich zusammenfallend mit dem Abgang des legendären Budgetsektionschefs Steger. Noch größere Ministerbüros mit wechselnden, einander bekämpfenden parteiinternen Seilschaften sowie die Verselbstständigung einzelner Sekretäre tatenein Übriges. Dass ab etwa 2010 regelmäßig ganze Kohorten von Sekretären ins Haus hineingeschoben und mit Führungsfunktionen betraut wurden, hat der Qualität des Ministeriums nicht gutgetan." (101 f)

Zu den offenen Geheimnissen der Republik zählt die Tatsache, dass der Bundespräsident nichts zu sagen hat. "Glanz und Hilflosigkeit" trägt das Kapitel über die Präsidentschaftskanzlei in der Hofburg. Schwach agierten bereits die ersten Präsidenten der Ersten Republik, Karl Seitz und Michael Hainisch. "Ihm folgte 1928 der bisherige recht unscheinbare Nationalratspräsident Wilhelm Miklas, beruflich ein Hofrat im Unterrichtsministerium, dessen Posten er nie antrat. Er war von Anfang ein willfähriger Parteisoldat seiner Kanzler, was sich erstmals daran zeigte, dass er den Nationalrat sofort auflöste, als die bürgerliche Regierung Vaugoin 1930 in die Minderheit geriet. Er versagte dann kraftlos in der Phase der schrittweisen Aushöhlung der Demokratie. [...] Er war am Ballhausplatz politisch einfach nicht existent." (71)

Erst zu Beginn der Zweiten Republik, mit Karl Renner, belegte der Bundespräsident die Hofburg als Amtssitz. Laut Matzka "arbeiten Beamte der Präsidentschaftskanzlei in den wohl schönsten Büros der österreichischen Verwaltung, viel prächtiger, als es der Bedeutung des Amtes entspricht. Diese Kanzlei war immer primär auf Protokollarisches ausgerichtet, sie kennt die feinsten Feinheiten der Ordenshierarchie und niemals kommt es vor, dass jemand den falschen Titel zur falschen Zeit erhält. Als Stab eines politischen Funktionsträgers hat man sich hier nie verstanden. Das hat sich erst unter Van der Bellen etwas geändert, als der tagespolitische Druck zunahm und ein ganzer Schwung seiner Parteileute ins Haus kam. Heute hat er immerhin vier persönliche Mitarbeiter, zwei Sonderberater, vier Pressesprecher und zwölf Medienleute – neben den etwa 60 sonstigen Verwaltungsbediensteten." (77)

[Anm. HTH: Bundespräsidenten waren immer "Abgesandte" ihrer Parteien, doch kein einziger Bundespräsident war in seiner Amtsführung so parteiisch wie VdB. Die Grünen flogen nach der Wahl von VdB aus dem Parlament, so war es nur logisch, dass er die erste Gelegenheit nutzte, um den Grünen über Neuwahlen den Weg zurück ins Parlament zu eröffnen. Den Grünen zuliebe hat er ein zweites Mal Sebastian Kurz angelobt. Wider besseres Wissen, wie man angesichts der weiteren Turbulenzen am Ballhausplatz annehmen muss.]