08/15 Sachbücher - Die Welt von morgen

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Die Welt von morgen. Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde. Eine Streitschrift für das Friedensprojekt Europa

Suhrkamp Verlag, April 2024

Der langatmige Untertitel und dazu der Klappentext reichen aus, um zu verstehen, welches Europa Menasse meint: das „Friedensprojekt Europa“. Der Großschriftsteller Menasse, bestens Co-finanziert von Literaturpreisen aus ganz Europa, übersieht dabei geflissentlich, dass EU-Europa des Jahres 2024 mit diesem Friedensprojekt nichts mehr zu tun hat. Mehr noch: das EU-Europa des Jahres 2024 hat das Friedensprojekt als Vasalle der Nato längst verraten.

Ein Autor, der sich mit den Nato-Befürwortern und Feinden der Neutralität verbündet hat, sitzt somit im gleichen Boot wie Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel. Von ihm könnte Menasse noch viel an Würze und Kürze lernen, denn Schüssel hat schlicht und einfach erklärt: „Die Neutralität gilt nicht mehr“.

Dass Menasse sich in eine Reihe von Karl Popper (Die offene Gesellschaft und ihre Feinde) und Stefan Zweig (Die Welt von gestern) stellt, mag als Beweis seines Selbstbewusstseins durchgehen. Als Beweis einer kritischen Distanz zu den Willkürherrschern der Europäischen Räterepublik (Sowjetunion 2.0) reicht es nicht.

Menas Brüssel2017

KLAPPENTEXT

Robert Menasse erklärt und verteidigt - im Jahr der Europawahl - die europäische Idee, lädt aber auch dazu ein, die systemischen Widersprüche der Union zu kritisieren und zu überwinden. Die Alternative, vor der wir stehen, ist nicht kompliziert: Entweder gelingt das historisch Einmalige, nämlich der Aufbau einer nachnationalen Demokratie, oder es droht ein Rückfall in das Europa der Nationalstaaten. Das wäre eine weitere Niederlage der Vernunft - mit den Gefahren und Konsequenzen, die uns aus der Geschichte nur allzu bekannt sein sollten. In Die Welt von Gestern schildert Stefan Zweig das kosmopolitische Europa vor 1914. Als er seine Erinnerungen niederschreibt, existiert es nicht länger, "weggewaschen ohne Spur" von der faschistischen Barbarei. Zweig stirbt 1942. Aber das übernationale Europa bekommt nach 1945 eine zweite Chance. Visionäre stoßen ein epochales Friedensprojekt an, Grenzen fallen, der Nationalismus weicht der Kooperation. Doch auch dieses Projekt könnte schon bald Geschichte sein. Demokratische Defizite führen zu Protest. Mannigfaltige Krisen machen den Menschen Angst. In vielen Mitgliedstaaten schüren Politiker, die von den Erfahrungen der Gründer nichts mehr wissen (wollen), einen neuen Nationalismus. Heute steht Europa wieder am Scheideweg. Wie wird die Welt von morgen aussehen?

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