Resümee aus moralphilosophischer Sicht
Aus moralphilosophischer Sicht ist dieses Buch ein wertvolles Dokument. Gerade in Zeiten, in denen sich jeder Mann und jede Frau berufen fühlt, gesammelte Belanglosigkeiten zwischen zwei Buchdeckel pressen zu lassen, gewährleistet die gedruckte Zusammenfassung dieser fundierten Online-Blogs, dass die Chronik der Ereignisse nicht verloren geht. Ob Historiker (keine „Historiker-Kommissionen“!) diese Zeit der Corona-Herrschaft (Monika Donner: „Corona-Diktatur“) in zehn oder erst in fünfzig Jahren seriös und unabhängig aufarbeiten werden, ist nicht vorhersehbar. Aber mit Büchern wie diesem von Roman Schiessler, die auch an Universitätsbibliotheken auffindbar bleiben, gibt es dauerhafte Belege, dass die Gleichschaltung der Menschen nicht vollständig gelungen ist und – hoffentlich – niemals vollständig gelingen kann.
Roman Schiessler will aber nicht nur Beiträge für die Forschung der Zukunft oder den (kaum noch existierenden) akademischen Diskurs der Gegenwart liefern, sondern auch Beiträge für eine bessere Zukunft leisten. Deshalb hat er mit der Ärztin Konstantina Rösch die Partei Bündnis Grundrechte gegründet. Es scheint eine Mission Impossible, angesichts von rund 1.300 Parteien, die in Österreichs Innenministerium registriert sind, mit einer weiteren Neugründung reüssieren zu wollen. Was politisch als Zersplitterung den Altparteien in die Hände spielt, könnte aber dialektisch umschlagen und zur Kraft der Zivilgesellschaft werden. Allerdings nur dann, wenn diese Kleingruppen immer dann zusammenarbeiten, wenn sich Türen öffnen, und gemeinsam marschieren mit dem einzigen Ziel, die Mauern der Systemerhalter zu überwinden und resiliente, unkorrumpierbare Systemkritiker ins System zu bringen. Schiessler scheint in dem Punkt eher fatalistisch, wenn er schreibt, die demokratischen Defizite würden quasi von selbst „zu massiven politischen Umwälzungen, insbesondere in Europa, führen, weil sich die Menschen nicht weiter bieten lassen werden, von der ihnen zustehenden Mitbestimmung ausgeschlossen zu werden.“ (S. 390)
Wie Corona gezeigt hat, lassen sich die Menschen als Masse mehr bieten, als einzelne Menschen ertragen können, und vergessen die Menschen als Masse schneller, als einzelne Menschen die Ereignisse überhaupt rational verarbeiten können. Der Umschwung wird nicht durch die „Dialektik der Geschicchte“ passieren, sondern nur, mit dialektischer Strategie von Aktivisten, die es schaffen müssen, gemeinsam auf offene Türen (z.B. Präsidentschafts-, Nationalrats-, Landtagswahlen) zu marschieren, statt einzeln mit dem Kopf gegen die Betonmauern des Systems zu rennen.
Grundlage dieses dialektischen Prozesses muss die Erkenntnis sein, dass unsere österreichische Demokratie schon längst keine offene Gesellschaft mehr ist, sondern eine geschlossene Anstalt, in der die Altparteien sich als einzig legitime Hüter der Demokratie gerieren. Einen herausragenden Beitrag zum Verständnis des bestehenden, korrupten politischen Systems liefert Schiessler mit dem Kapitel bzw Leitmotiv des Buches:
Dieser Artikel sollte zum Manifest aller systemkritischen Kräfte werden!