25. August 2023 (KOMMENTAR von HTH, Chefredakteur von ethos.at) - In Österreich hat es Heide Schmidt mit dem LIF Liberalen Forum probiert, nach ihr Jörg Haider mit dem BZÖ (was war das noch: Bund Zentralistischer Österreicher?), HC Strache mit FC Strache, Peter Pilz mit dem Paukenschlag JETZT! - alle mit mäßigem Erfolg: Sobald die heiße Luft des Promi-Faktors draußen war, ist nix mehr übrig geblieben. Nur LIF hat in NEOS eine Auffanggesellschaft gefunden, die Big Spender Hans Peter Haselsteiner weiterhin als seine private politische Spielwiese nutzt - frei nach dem Motto HPH for PPP (Private Public Partnershop).
Nun versucht es nach dem gleichen Modell laut Gerüchteküche die seit Jahrzehnten erfolgreiche LINKE Sarah (neuerdings: Sahra) Wagenknecht. Vor zehn Jahren hielt ich sie für die intelligenteste Deutsche - und die attraktivste noch dazu. Dann kam eine laue Abrechnung mit der Selbstgerechtigkeit der Linken, doch sich selbst hat sie in "Mein Gegenprogramm" (Untertitel des Buches "Die Selbstgerechten" 2021) geflissentlich von der Kritik ausgenommen.
Bücher, deren Titel (oder Untertitel) mit "Mein" beginnen, habe ich noch nie gelesen, dazu zählen:
Meine perfekte Tochter
Mein bester Freund
Mein Körper gehört mir
Mein perfekter Kaffee
Mein persönlicher Kalender
Meine Hochzeit
und nicht zuletzt: Mein Kampf.
Moralphilosophisches Resümee: Wer viele Jahre oder gar Jahrzehnte innerhalb des bestehenden Systems erfolgreich war (wie alle oben genannten Ex-PolitikerInnen), und sich als Systemerhalter bewährt hat (Wagenknecht als fernsehtaugliche Alibi-Linke in allen Talkshows der DDR 4.0), vom bestehenden System somit auch bestens gelebt hat, von der/dem darf man nicht erwarten, dass sie/er plötzlich eine fundamental neue, systemkritische Partei oder auch nur Bewegung zustande bringt. Die/der wird nichts weiter schaffen, als mit einem neuen Label eine Reihe routinierter TV-Auftritte. Die neue Etikette einer Wagenknecht-Partei wird somit nichts als ein Mascherl für die Systemerhalter im Filz von Politik und Medien sein, die sich damit schmücken können, dass sie "KritikerInnen" zulassen.
Systemerhalter werden nicht über Nacht zu Systemkritikern. Die Systemkritik mit beschränkter Haftung, wie sie Wagenknecht und Co üben, ist weit von wahrer Kritik entfernt. Wahre Kritik müsste bei Selbstkritik beginnen. Davor ist Wagenknecht gefeit. Mit ihren neuen politischen Ambitionen reiht sie sich ein in jene Altpolitiker, die sich für unersetzlich halten und unfähig sind zu erkennen, wann es Zeit ist abzutreten, oder zumindest eine Reihe zurück zu treten. "Anti-Establishment-Neugründung" direkt aus dem Establishment? Sapere Aude!
EpochTimes.de am 24.8.23: "Wagenknecht-Partei: Guérot im Gespräch für neue Anti-Establishment-Neugründung"
Ergänzung 12. September 2023 - Schlagzeilen des Tages, die beweisen, was keines Beweises bedarf: Wagenknecht beherrscht die Medienorgel wie keine andere! ZDF.de am 10.9.23 gibt den Startschuss für eine neue Spekulations-Runde mit dem Titel: "Sahra Wagenknecht. :Neue Partei? Entscheidung bis Jahresende". Bild.de spekuliert zwei Tage später: "Kann die Rote Sahra die AfD halbieren?" und zitiert AfD-Chefin Alice Weidel, die im ARD-Sommerinterview vermutet, Wagenknechts Partei werde das "regierungskritische Lager" spalten. Wagenknecht werde mit einer eigenen Partei "eine willige Erfüllungsgehilfin für die Ampel", so Weidel. Auch zwei Alte Weiße Männer - um einen Kampfbegriff potenzieller Wagenknecht-Wählerinnen zu verwenden - haben am 12.9. ihren Senf dazu gegeben:
"Lafontaine wittert Potenzial für Wagenknecht-Partei", schreibt die Frankfurter Rundschau. "Der Schoßhund muss es wissen, hat er doch die Möglichkeit, täglich sein Frauerl zu beschnüffeln", könnte "Titanic" diese Schlagzeile kommentieren. Bissiger dagegen der Dobermann und Ex- (oder immer noch?) Parteigenosse: "Der Linke-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi glaubt nicht daran, dass eine neue Partei um Sahra Wagenknecht anhaltenden Erfolg haben könnte. Spätestens bei der kommenden Bundestagswahl wäre 'Schluss', sagte Gysi der Berliner Zeitung. 'Dafür bräuchte sie 16 Landesverbände, zahlreiche Büros und Ausstattung. Das muss man erst einmal stemmen'."
Ergänzung 23. Oktober 2023 - Berlin (dpa via sueddeutsche.de) - Ab heute ist es fix, der zu erwartende Medienrummel ist eingetreten, die Blase der Wagenknecht-Partei darf steigen: "So voll ist die Bundespressekonferenz sonst allerhöchstens, wenn sich der Bundeskanzler ankündigt: Unter außergewöhnlich starkem Medienandrang hat die bisher prominenteste Politikerin der Linken, Sahra Wagenknecht, am Montag mit mehreren Mitstreitern in Berlin ihren Austritt aus der Linken bekanntgegeben und Pläne für die Gründung einer neuen Partei präsentiert. Die 38-köpfige Linksfraktion im Bundestag steht damit vor ihrer Auflösung, das Parteiensystem im Land vor einer weiteren Zersplitterung. ... Die bisherige Co-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali und acht weitere Abgeordnete gehen mit Wagenknecht."
Ergänzung 31. Oktober 2023 - "In der Tat hat der Vorstand des BSW den Charme eines sozialdemokratischen Frühschoppens, der sich sonntags morgens zu Prosecco und Fassbinder-Filmen in einem EU-geförderten ArtHouse-Kino trifft. ... Anstatt sich über Wagenknechts strategische Wahl der BSW-Vorsitzenden zu wundern, sollte man eher der Kontinuität als der Diskontinuität des neuen Forums mit dem progressiven linken Establishment gewahr werden. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in Wagenknechts völliger Verkennung des politischen Klimas in Deutschland: die Deutschen sind nicht, wie sie behauptet, so “verzweifelt, dass sie sogar rechts wählen würden”. Das deutsche Volk hat tatsächlich genug von linkem Elitarismus, staatlicher Kontrolle und einer langsamen, aber stetig voranschreitenden DDRisierung des öffentlichen und geistigen Lebens", schreibt Elena Louisa Lange auf tkp.at