Lissitsa Alex: Meine wilde Nation - Präsident Selenskyj

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2. Präsident Selenskyj

„Mit Selenskyj waren wir bislang [vor Kriegsausbruch] nicht besonders gut vorangekommen. Ich hatte immer den Eindruck gehabt, dass er uns Unternehmern misstrauisch gegenüberstand. Zu den meisten anderen Regierungen vor ihm besaß ich einen weitaus besseren Draht.“ (8)

„Selenskyj gelangte in den 90er Jahren in der Provinzuni in Krivii Rih zu einer gewissen Bekanntheit. Ob er nebenher überhaupt noch zum Studieren kam, würde ich bezweifeln. Wann immer er sich zu Sachfragen äußert, hat man nicht den Eindruck. Anfangs konnte er das noch durch übersteigertes Selbstvertrauen ausgleichen.“ (30)

„Den Silvestertag verbringen die Ukrainer zu Hause. Sie kochen und bereiten das Fest vor. Der Fernseher läuft nebenher, durchgehend. Was zeigen sie an diesem Abend [2017] auf 1 + 1? Zwanzig Stunden lang eine Show rund um Selenskyj. Normalerweise wird im Fernsehen zu Mitternacht die Ansprache des amtierenden Präsidenten übertragen. Doch was sendet 1 + 1 an Stelle von Poroschenko? Sie bringen einen Auftritt von Selenskyj, der sich hinstellt und ganz forsch für seine Kandidatur um das Amt des Präsidenten wirbt.“ (167)

„Die Ukrainer sind immer auf der Suche nach neuen Göttern. Sie finden immer wieder einen neuen Helden, den sie verehren und anhimmeln können. Gegen diesen ewigen Kreislauf junger Götter hat die alte Religion keine Chance. Sie läuft nebenher. Der nächste neue Held ist viel wichtiger als irgendwelche Typen aus alten Büchern. Der Held von heute ist Selenskyj. Er hält sich schon erstaunlich lang auf dem Podest des ukrainischen Götterhimmels.“ (226)

„Mit dem Krieg änderte sich die Lage auf einen Schlag. Selenskyj wirkte wie neu geboren. Er begann sein zweites Leben. Er nahm die Herausforderung an, und er wuchs mit ihr. Seine Informationspolitik war ziemlich gut, das muss man ihm auf jeden Fall zugestehen.“ (226)

Laut unserer Verfassung hat der Präsident des Landes mit der Wirtschaft nichts zu tun. Selenskyj vergisst das immer wieder. Für ökonomische Belange ist von Rechts wegen der Premierminister zuständig. Aber das zählt alles nichts. Wenn Selenskyj sich eine Sache unter den Nagel reißt, lässt er nicht locker und läuft Gefahr, sich in einem allumfassenden Kontrollwahn zu verlieren.“ 253

Auch politisch gesehen ist die Lage im Inneren des Landes sehr schwierig. Die Menschen sind zusehends unzufrieden mit der Informationspolitik der Regierung. Der Tele-Marathon hat stark an Zuspruch verloren. Die Popularitätswerte von Selenskyj sinken.“ 279

„Nach dem Krieg wird es für Selenskyj sehr schwierig werden. Er bräuchte ein drittes Leben, aber es steht in den Sternen, ob er noch einmal der richtige Mann am richtigen Platz sein kann. Zwischenzeitlich flogen viele Sympathien dem Oberbefehlshaber Saluschnyj zu – vielleicht zu vielefür den Geschmack von Selenskyj? Jedenfalls ist Saluschnyj nun sein Amt los.“ (227)