Bierling Stephan: Die Unvereinigten Staaten - Obama + Renegat + Der Sektor

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Michael Hudson, „Der Sektor“

Erschienen 2016 (im englischen Original: „Killing the Host. How Financial Parasites and Debt Destroy the Global Economy“, 2015)

„Die Geschenke an die Wall Street nach der Krise von 2008 – bei denen die hochverschuldeten Hauseigentümer leer ausgingen – waren kein Unfall. Sie waren eine ganz bewusst politische Entscheidung. Später, als sich herausstellte, dass die breite Bevölkerung schwere finanzielle Verluste erlitten hatte, während die Banken für das Eine Prozent riesige Gewinnen einfuhren, vergossen die Politiker ein paar Krokodilstränen. Doch es war genau dieser den Finanzinsidern und dem Einen Prozent aus den Rettungsaktionen erwachsende Vorteil, der die Rettung aus der Sicht der Wall Street zu einer so erfolgreichen politischen Machtübernahme werden ließ.“ (297)

Obamas Finanzminister Tim Geithner, eingesetzt direkt von der Wall Street, hatte die Chuzpe, Millionen von Hausbesitzern zu erklären: „Wir haben es nicht für die Banken getan, sondern um das amerikanische Volk vor möglichen Bankenzusammenbrüchen zu schützen.“ (298)

„Auch Obama machte sich die Politik der Geldgeschenke an die Banken sehr schnell zu eigen, indem er Larry Summers [Finanzminister unter Clinton] zu seinem nationalen Wirtschaftsberater ernannte und Geithner auf den Posten des Finanzministers berief, den dieser von Paulson [Henry (Hank) Paulson] übernahm. Damit waren Summers und Geithner optimal positioniert, um alle Versuche abzuwehren, die innerhalb der Demokratischen Partei zu einer Entmachtung des dominierenden ‚Rubinomis‘-Flügels – der Anhänger Robert Rubins – hätten führen können. Rubin war schließlich einer der wichtigsten frühen Förderer Obamas gewesen.“ (299)

Robert Rubin, 1995-1999 Finanzminister unter Clinton, „verließ das Kabinett von Bill Clinton, um 1999 Präsident der Citigroup zu werden, und erhielt in seiner Amtszeit in den folgenden zehn Jahren über 120 Millionen Dollar an Ausgleichszahlungen. [...er] grub das Loch, in dem die Citigroup schließlich versank. Aber sein Einfluss führte dazu, dass die US-Regierung 45 Milliarden Dollar in das Eigenkapital der Citigroup pumpte und 300 Milliarden Dollar an Vermögensschutzgarantien bereitstellte, während die Federal Reserve [Fed, die US-Zentralbank] noch einmal über 2 Billionen Dollar an staatlichen Darlehen zuschoss, um das sinkende Wrack zu retten.“ (154)

Zwar gab es von demokratischen Abgeordneten immer wieder Kritik an der Bevorzugung der Banker, deren selbst produzierte Ramschpapiere von der Regierung aufgekauft wurden, während Millionen von Hausbesitzern keinen Cent von diesem Geld gesehen haben, stattdessen aber enteignet wurden. Die Kritik dieser Abgeordneten „blieb jedoch wirkungslos und wurde anscheinend hauptsächlich zu dem Zweck ausgesprochen, die Wut der Wähler gegen das Rettungspaket zu besänftigen. Nachdem Obama erst einmal sein Amt angetreten hatte, waren von den Demokraten im Kongress keine solchen Töne mehr zu hören – und ebenso wenig von den Regierungsbehörden, die mit dem Finanzsektor befasst waren. Diese waren nunmehr mit Beamten bestückt worden, die für die Wall Street und gegen Regulierung eingestellt waren.“ (302)

Barak Obama hat in seinen Memoiren „A Promised Land“ seinem Sündenfall – den Bruch seiner Wahl-Versprechungen, sich für die Hausbesitzer einzusetzen – ein ganzes Kapitel mit dem bezeichnenden Titel „Renegade“ gewidmet. (Die deutschen Übersetzer fanden die Selbstbezichtigung als „Renegat“, „Abtrünniger“, eine Person, die ihre bisherigen politischen oder religiösen Überzeugungen verraten hat, offenbar so krass, dass sie die Fakten verschleiernd den Begriff unübersetzt ließen.) Ein Kapitel, das weniger als Entschuldigung, sondern mehr als Ausrede der angeblichen Alternativlosigkeit dient. („Excuse“ auf Deutsch bedeutet sowohl „Entschuldigung“ als auch „Ausrede“.)

Fünf Jahre nach Hudson bestätigt Obama fast wörtlich dessen Ausführungen (Obamas Memoiren sind 2020 erschienen): For Treasury secretary, it came down to two candidates: Larry Summers [...] and Tim Geithner [...] In the end, I decided to hire both men - Larry to help figure out what the hell to do (and not do); Timm to organize and steer our response. To make it work, I had to sell Larry on serving not as Treasury secretary but rahter as director of the National Economic Counci (NEC), which, despite being the White House's top economic job was considered less prestigious.

Mehr dazu: Barak Obama, A Promised Land.