EMRK: zeitgemäß und effektiv - EMRK pro und contra

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Ein Plädoyer für eine sachliche, aber schonungslose Auseinandersetzung mit EMRK und allen anderen Gesetzen, sowie mit den Methoden der Gesetzgebung.

von Hubert Thurnhofer

"Alle Angriffe auf EMRK und EGMR aus Gründen der Flucht- und Migrationsbewegungen erweisen sich .. als pure politische Agitation, ausgelöst durch eine Rat- und Ideenlosigkeit, wie diese Herausforderungen gelöst werden könnten", schreiben Tretter/Wisinger, und: "dass es sich bei all den Attacken der letzten Zeit auf EMRK und EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) um lediglich Rauch auslösende Nebelgranaten handelt".

Diese Beurteilung kann ich teilen. Doch die Pflichtverteidigung des Rechtsprofessors Hannes Tretter und der Historikerin Marion Wisinger ("EMRK: zeitgemäß und effektiv") schießt ebenso mit Nebelgranaten und bleibt im Ominösen, statt den Diskurs mit konkreten Fragen auf eine sachliche Ebene zu heben. Als Autor des Buches "Baustelle Parlament" habe ich - bislang unwidersprochen von Juristen - erläutert, warum die österreichische Verfassung für das 21. Jahrhundert nicht geeignet ist.

Die Europäische Menschenrechtskonvention EMRK (auch MRK) ist, so wie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRC Teil der österreichischen Verfassung - somit ist gemäß meiner These zu hinterfragen, ob und inwiefern MRK und GRC für das 21. Jahrhundert nicht geeignet sind. Um aus dem Diskurs des Ominösen, welcher die Politik des Ominösen dominiert, raus zu kommen, ist zu präzisieren:

1. Wer hat den aktuellen Diskurs ausgelöst?

2. Was genau ist die EMRK?

3. Wo konkret gibt es Änderungsbedarf?

Prämisse meiner Überlegungen ist der Grundsatz, dass eine Demokratie eine schlanke Verfassung braucht, so dass sie alle Bürger des Landes lesen und verstehen können, um sich letztlich damit zu identifizieren. Dies trifft auf die bestehende Österreichische Verfassung BVG in keiner Weise zu. Im Gegenteil: die Experten sind sich einig, das BVG können nur Experten verstehen - somit ist das BVG keine Grundlage einer Demokratie, sondern die Grundlage einer Expertokratie. In logischer Konsequenz brauchen wir, wenn wir eine bessere Demokratie wollen, eine bessere, eine grundlegend neue Verfassung. Diese Forderung unterstützen zahlreiche Parlamentarier - leider immer erst dann, nachdem sie ihr Mandat verloren haben.

ad 1. Wer hat den aktuellen Diskurs ausgelöst?

Aus meiner Sicht gibt es immer gute Gründe, über die Qualität unserer Gesetze zu diskutieren. Diese Diskussionen sollten eigentlich ständig im Parlament geführt werden, was bekanntlich nicht passiert. Würde es passieren, müssten die Abgeordneten 90 Prozent ihrer Zeit mit der Beantwortung der Frage verbringen, welche antiquierten Gesetze abzuschaffen sind. Wenn mal eine Gesetzes-Diskussion in die Medien gelangt, dann werden die konkreten Inhalte sofort ausgeblendet und die Leser von den Medien mit Spekulationen und Unterstellungen geblendet.

Am 11.11.22 hat Standard.at ein Interview mit ÖVP Klubobmann August Wöginger publiziert. Titel: "Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet". Diese Schlagzeile wurde wie ein Lauffeuer von allen Medien verbreitet. Typisch puls24.at: "Wöginger rüttelt an Menschenrechtskonvention". Damit wird unterschwellig angedeutet, ein hochrangiger ÖVP-Politiker wolle die Menschenrechte abschaffen. Unter insgesamt 19 Fragen über Koalition, Korruption, Arbeitsmarkt (inklusive Job-Beschaffung für einen ÖVP-Bürgermeister), sowie Migration findet sich die

Standard-Frage 16: "Für Asylwerber musste der Bund nun wieder Zelte aufstellen, weil die Länder ihre Verteilungsquoten nicht erfüllen. Das erinnert an 2015. Wieso hat man daraus nicht gelernt?

Wöginger: Österreich hat derzeit die zweitstärkste Pro-Kopf-Belastung innerhalb Europas. Und es ist natürlich herausfordernd, dass wir diese Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, auf ganz Österreich verteilen. Ich habe aber dem Treffen mit den Landeshauptleuten entnommen, dass auch die Bundesländer hier mehr tun wollen. Eines muss man aber schon auch sagen: Die Europäische Union hat sieben Jahre lang verschlafen, tragfähige Lösungen zum Schutz der Außengrenzen auf den Tisch zu legen. Das ist ein Aufruf in Richtung Europa, in die Gänge zu kommen.

Standard-Frage 17: Sie finden, das europäische Asylrecht gehört überarbeitet?

Wöginger: Ja, das würde ich meinen. Auch die Menschenrechtskonvention gehört überarbeitet. Wir haben mittlerweile eine andere Situation, als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war, als diese Gesetze geschrieben wurden. Auch das, was in der Halloween-Nacht in Linz stattgefunden hat, ist inakzeptabel. Wenn wir Menschen Asyl gewähren, erwarten wir uns, dass unsere Gesetze eingehalten werden, ansonsten haben sie hier nichts verloren. Ich verstehe alle Menschen, denen es hier die Zornesröte ins Gesicht treibt."

Hängen bleibt in den Köpfen der Menschen die verkürzte Interpretation der Standard-Schlagzeile, Wöginger betreibe "pure politische Agitation" (Trettner/Wisinger) und er wolle die Menschenrechte generell abschaffen. Nicht mehr und nicht weniger erreicht der Standard durch Agenda-Setting, das er mit dem NÖ FP-Obmann Udo Landbauer am 23.1.23 (eine Woche vor der NÖ-Wahl) erfolgreich fortsetzt, um rechts-rechts gegen rechts auszuspielen: "Eskalationsspirale rechts der Mitte", kommentiert der Journalist Johannes Huber auf seinem Blog diesubstanz.at.

ad 2: Was genau ist die EMRK?

Über die Grundlagen unserer Grundrechte wissen die Österreicher nach Lektüre all dieser Artikel nicht mehr als zuvor. Sie haben weiterhin keine Ahnung über Gliederung und Inhalte der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK, sowie die Unterschiede zur Charta der Grundrechte GRC, die beide EU-Recht sind. Basisinfos dazu liefert wikipedia, auch wenn dieses Portal bei politischen Themen mittlerweile ziemlich tendenziös geworden ist (siehe: Mit Vorsicht zu genießen). Über die Grundlagen unserer Verfassung, ihre bröckelnde Struktur ("und ihre teilweise skurrilen Bestimmungen informiert das Buch "Baustelle Parlement".

Unbeantwortet bleiben in der laufenden Auseinandersetzung grundlegende Fragen, weil sie im Diskurs des Ominösen nicht gestellt werden:

- Warum findet die EU mit der UNO Menschenrechtskonvention (nach meiner unbedeutenden Meinung das wichtigste Dokument der Menschheit im 20. Jahrhundert) nicht ihr Auslangen?

- Warum sind Österreichs Gesetzgeber so übereifrig und heben Europarecht zusätzlich noch in Verfassungsrang, als müsse man EU-Recht doppelt absichern.

- Wozu wurde in der Ära Vranitzky ein "Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit" beschlossen, das sich nicht etwa die Mühe macht, unsere Freiheitsrechte zu definieren, sondern nur regelt, wann und wie der Staat unsere Freiheitsrechte einschränken darf. (Ein Verfassungsgesetz, das meiner unbedeutenden Meinung nach völlig überflüssig ist, weil es inhaltlich keine Verbesserung und keine einzige Neuerung gegenüber dem EMRK bringt.)

ad 3. Wo konkret gibt es Änderungsbedarf?

"Welche Verwerfungen gehen der Inkaufnahme von unmenschlicher Behandlung, Folter und Tod voraus, was sind die Vorboten der Meinung, dass elementare Menschenrechte nicht mehr zeitgemäß wären? " Mit dieser Frage unterstellen Tretter/Wisinger, dass Wöginger die Absicht hege, Folter und Todesstrafe wieder einzuführen. Anstatt derartige Nebelgranaten zu werfen, hätten die Wissenschafter erklären müssen, dass erstens die Flüchtlingsfrage nicht Gegenstand der EMRK ist, und zweitens Kriegs-Flüchtlinge, "die ein Recht auf Asyl haben", entgegen der Aussage von Wöginger, kein Recht auf Asyl haben. Das widerspricht zwar den moralischen Vorstellungen von "Menschenrecht" sowie dem allgemeinen Verständnis von "Flüchtling", doch laut Genfer Flüchtlingskonvention werden nur "jene Personen als Flüchtlinge bezeichnet, die sich aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Herkunftsstaates befinden und den Schutz des Herkunftsstaates nicht in Anspruch nehmen können" (oesterreich.gv.at) Demnach werden Kriegsflüchtlinge gemäß Genfer Flüchtlingskonvention wie Wirtschaftsflüchtlinge behandelt. Als Moralphilosoph würde ich hier durchaus Handlungsbedarf beim Gesetzgeber sehen.

Beispiel Todesstrafe, EMRK Artikel 2 (1): "Die Todesstrafe ist abgeschafft", lautet Artikel 85 B-VG, seit Bestehen der Verfassung im Jahre 1919. Damit hat der Gesetzgeber bewiesen, dass ein Verfassungsgesetz auch kurz, prägnant, für jeden verständlich und als Grundwert nachhaltig wirksam sein kann. Im direkten Widerspruch dazu steht aber Artikel 2 des EMRK vom 4. November 1950: "Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils". Erst im Jahr 1985 wurde dieser Widerspruch durch das Protokoll 6 zur EMRK "... über die Abschaffung der Todesstrafe" in Artikel 1 bereinigt: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden." Eine seltsame Ausnahmeregelung folgt Gewehr bei Fuß: Artikel 2 dieses Protokolls besagt: "Ein Staat kann durch Gesetz die Todesstrafe für Taten vorsehen, welche in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden". Es dauerte weitere 20 Jahre, bis die EMRK dank Protokoll 13 "die vollständige Abschaffung der Todesstrafe" zustande gebracht hat.

Tötung gemäß EMRK Artikel 2(2). Immer noch gültig und höchst problematisch ist jedoch Absatz (2 ) dieses Artikels: "Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Auch ein Pazifist wird Punkt a) unterschreiben können, aber schon bei Punkt b) stellt sich die Frage, wie "eine ordnungsgemäße Festnahme" aussehen könnte, bei der ein zu Verhaftender nicht abgeführt werden kann und deshalb gezielt erschossen werden muss. Die Alarmglocken müssen jedoch bei Punkt c) läuten. Wer 2020/2021 miterlebt hat, wie der damalige Innenminister und jetzige Bundeskanzler Nehammer die Polizei auf Demonstranten gehetzt hat, der muss sich wohl noch bedanken, dass Nehammer die "Corona-Demos" nicht als Aufruhr oder Aufstand interpretiert hat. Ein Beamter in zivil, den ich zufällig bei einer dieser Demos auf diese Problematik angesprochen habe, hat mich beruhigt: "Es kann nicht sein, dass Polizisten auf Zivilisten schießen. Das verbietet die ADV." ADV frage ich. "Die Allgemeine Dienstverordnung". Bis heute weiß ich nicht, ob ich mich darüber freuen soll oder ob ich mich davor fürchten muss, dass ein Teil der Exekutive, nämlich die Polizei, ihre Dienstverordnung über das Grundgesetz stellt.

Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 11 (1): Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, ... (2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden, als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind."

Wer noch nicht vergessen hat, was während der vergangenen Lockdowns "im Interesse des Schutzes der Gesundheit" verordnet wurde, möchte nicht wissen, welche Verordnungen die Regierung grundrechtskonform "im Interesse der Moral" erlassen könnte.

Gleichzeitig muss man noch froh sein, dass offenbar niemand in der Regierung die EMRK so genau gelesen hat, denn sonst wären sicher viele politische Versammlungen während der Lockdowns "im Interesse der Gesundheit" aufgelöst worden. Die Moral wird in Gesetzen immer wieder angesprochen, doch die Moral-Diskussion nie und nirgends geführt! Ganz im Gegenteil, die Parlamentsparteien verweigern die offene Diskussion über ihre Moralvorstellungen und lehnen Weiterbildung in Ethik ab!

Der Abschnitt II ab Artikel 19 legt die Grundlagen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die EMRK enthält 59 Artikel, wobei nur Artikel 1 bis 18 gesellschaftspolitisch relevant sind. Die angeführten Beispiele zeigen hoffentlich, dass man über die einzelnen Bestimmungen der EMRK sehr wohl diskutieren kann und muss! Darüber hinaus sollten Rechtsprofessoren, Politologen und Historiker auch darüber forschen und diskutieren, wie die Regierung in ihren Gesetzesvorlagen Grundrechte missbrauchte um zweifelhafte Gesetze durchzuboxen. Hier ist nicht die Rede von dutzenden ausgewiesenen Verfassungsbrüchen in den vergangenen drei Jahren (bei über 600 Verfassungsklagen), sondern von der Art und Weise, wie das ominöse Impfpflichtgesetz zustande gekommen ist.

Der Regierungsentwurf legitimierte sich explizit mit Einhaltung der EMRK: "Die gesetzliche Festlegung einer solchen Impfpflicht ist primär an Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu messen." Der Artikel 8 EMRK lautet: "(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. (2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

In meiner Stellungnahme gegen den Gesetzesentwurf habe ich folgendermaßen argmuentiert: Laut Entwurf des Gesundheitsministers wird festgehalten, "dass auch eine verpflichtende Impfung nicht durch unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt werden darf, sondern durch Verwaltungsstrafen sanktioniert wird." Offenbar schließt der Gesetzesentwurf ohnehin aus, dass Exekutivorgane "Impfverweigerer" in ihrer Wohnung verhaften und unter Anwendung von Gewalt auf die nächste Impfstraße abführen. Auch die Einschränkung des Briefverkehrs steht im Entwurf nicht zur Debatte, die Berufung auf EMRK Artikel 8 ist daher verfassungsjuristisches Larifari, und kann als Begründung nicht anerkannt werden. Die angebliche Priorität des Artikel 8 EMRK ist eine willkürliche Interpretation unserer Verfassung und beweist, dass die zuständigen Minister sowie die bisherigen Bundeskanzler dieser Kurzzeitregierung massive Lücken in ihrer jeweiligen Verfassungskenntnis aufweisen und darüber hinaus nicht die geringsten Hemmungen haben, die Bürger dieses Landes mit Scheinargumenten zu betrügen.

Relevant und zu prüfen wäre bei dem vorliegenden Gesetzesprojekt jedoch, ob der Entwurf mit Artikel 3 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) vereinbar ist. GRC befindet sich bekanntlich ebenfalls in Verfassungsrang! Dieser Artikel lautet: "Recht auf Unversehrtheit (1) Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. (2) Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: a) die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Einzelheiten, b) das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Menschen zum Ziel haben, c) das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen, d) das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen." Das geplante Impfpflichtgesetz widerspricht in allen Punkten dem Artikel 3 GRC und ist somit vollinhaltlich abzulehnen!

Resümee: Die EMRK ist weder zeitgemäß noch effektiv, sie ist vielmehr antiquiert und dem entsprechend erneuerungsbedürftig; so wie das gesamte BVG. Das kleine Österreich wird die EU nicht bewegen können, aus welchen Gründen auch immer, EU-Gesetze zu ändern. Aber Österreich kann jederzeit beginnen, die eigene Verfassung zu erneuern. Das darf jedoch keine "Verfassungsreform" im Stile des gescheiterten Österreich-Konvents werden, bei der keine Bürgervertreter dabei waren, sondern nur Parteienvertreter sich gegenseitig ausgebremst haben. Wir brauchen vielmehr eine komplette Neufassung unserer Verfassung, wie sie die Schweiz Ende der 1990er Jahre umgesetzt hat unter Beteiligung des Volkes! Wer das reflexartig für unmöglich hält, sollte sich ernsthaft fragen, welches Demokratie-Verständnis dadurch zum Ausdruck kommt.

Anlässlich der 100-Jahr-Feiern wurde vielfach eine Aussage von Hans Klecatzky zitiert, Österreichs Verfassung sei eine Ruine; als mehr oder weniger ironisches Bonmot! (z.B. Kommentar von Ewald WiederinKommentar von Armin Wolf)

Man muss endlich beginnen, diese Aussage als Urteil über den tatsächlichen Zustand unserer Verfassung zu verstehen, und als Grundlage für Überlegungen, wie wir unser von den Parteien devastiertes Land auf Basis einer neuen Verfassung wieder aufbauen sollen. "Im Grunde ist jede Verfassung nur ein Blatt Papier, das aus sich heraus nichts zu bewirken vermag", schreibt Ewald Wiederin. Es ist höchste Zeit, diesen Zustand zu überwinden; das geht nur mit Beteiligung des Volkes. Hunderte Ideen dazu gibt es bereits, nur die Parteien wollen sie nicht sehen, und die Massenmedien unterdrücken sie.

P.S. Warum Gesetzesentwürfe fast nur über Ministerialentwürfe im Parlament eingebracht werden, anstatt von den dafür gewählten Nationalratsabgeordneten, versucht ethos.at an einer anderen Stelle zu klären (siehe: Gesetzgebung braucht Qualitätskontrolle)