Bioenergy: Good Bad or Ugly? - Reaktion der Massenmedien

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Wenig Resonanz in Deutschlands Massenmedien

Im Deutschen Sprachraum blieben diese Initiativen und die aktuellen Kontroversen über Bioenergie von den Massenmedien bislang unbeachtet. Ganz anders im anglo-amerikanischen Raum: renommierte Medien wie The Guardien, The New Yorker, New York Times. haben das Thema aufgegriffen. Weiters Politico und Natural Gas World, die nicht zu den Massenmedien zählen, aber einflussreich sind, weil sie viele Opinion Leader erreichen.

Eine Ausnahme ist die folgende Story, die am 14. Januar 2021 von The Guardian publiziert wurde. Fünf Tage später brachte "Die Zeit" das gleiche Thema. Dahinter steht eine cross-border Recherche mehrerer Journalisten, die auf einer eigenen Internetseite ihre Brandspuren hinterlassen haben und zwar unter der Headline: "Money to burn". Die feurigen Schlagzeilen in The Guardian: "Carbon-neutrality is a fairy talehow the race for renewables is burning Europe's forests", und in Die Zeit "Wälder, verheizt im Namen des Klimas".

Nach den Regeln der klassischen Reportage beginnt die Guardian-Story mit einer Stimmungs-Schilderung vom Ort des Geschehens "im Herzen des estnischen Naturschutzgebiets Haanja", die abrupt unterbrochen wird von hard facts: "Doch 2015 erlaubte die estnische Regierung in einigen Teilen des Naturschutzgebiets Haanja das, was als Clear-Cutting bekannt ist. Diese Praxis beinhaltet das Fällen ganzer Bereiche des voll entwickelten Waldes und den Abtransport ganzer Baumstämme." Die Lockerung der Regeln für den Holzeinschlag erfolgte aufgrund der massiv steigenden internationalen Nachfrage nach estnischem Holz. Dafür gibt es einen "unerwarteten Schuldigen: Europas Politik im Bereich der erneuerbaren Energien." Treiber der Nachfrage seien vorwiegend Dänemark, die Niederlande und Großbritannien.

In Estland seien zwischen 2001 und 2019 insgesamt 15.000 Hektar aus den Natura-2000-Gebieten abgeholzt worden, das sei "mehr als die doppelte Fläche von Manhattan". 80 Prozent davon entfalle auf die vergangenen fünf Jahre. Vergleiche mit Städten oder Regionen, die dem Leser bekannt sind, zählen zum üblichen Repertoir von Journalisten, ebenso wie der Vergleich mit der Anzahl von Fußballfeldern. Das erspart fundierte Argumente und lenkt von sachlicher Prüfung der Fakten ab. In solchen Fällen sollte man einfach nachrechnen: in den vergangenen fünf Jahren wurden je 2.400 Hektar Wald (80 Prozent von 15.000 = 12.000 : 5 = 2.400) aus Naturschutzgebieten entnommen. Das sind jährlich 0,63 Prozent der geschützten Wälder Estlands, die eine Fläche von 380.000 Hektar bedecken. Insgesamt ist mehr als die Hälfte des 45.000 km2 großen Landes waldbedeckt; exakt 2.430.000 Hektar!

The New Yorker bringt am 22. Januar 2021 einen Gast-Beitrag zu den Annalen der Erderwärmung mit der Headline "To Counter Climate Change, We Need to Stop Burning Things". Einleitend ein historischer Diskurs über die Menschen, die immer schon Holz verbrannt haben, u.a. um Fleisch zu braten, "so dass unser Gehirn größer werden konnte. Jetzt haben diese großen Gehirne verstanden, dass brennendes Zeug das stabile Klima zerstört, von dem die Zivilisation abhängt." Auch Wissenschafter haben große Gehirne und bestätigen laut neuester Forschungen: "Zum einen verbrennt Holz ineffizient und produziert große Mengen Kohlenstoff für jede Energieeinheit, die es produziert. Schlimmer noch, es dauert Jahrzehnte, bis diese Wälder nachwachsen und diesen Kohlenstoff aufnehmen – Jahrzehnte, die wir nicht haben."

Bislang sei Biomasse zur Energiegewinnung in den USA noch kein großer Faktor, und wo Kraftwerke geplant werden, sind Aktivisten vor Ort. So bei einem Projekt in Springfield, Massachusetts, wo "Gegner versuchen sicherzustellen, dass Biomasse nicht als erneuerbare Energie nach staatlichen Richtlinien gezählt wird. In Europa, wo die offizielle EU-Politik Biomasse immer noch als 'kohlenstoffneutral' behandelt, ist die Dystopie schon viel weiter fortgeschritten. Große Kohlekraftwerke wurden umgebaut, um Holz zu verbrennen", so The New Yorker, der weitgehend die Darstellung von The Guardian übernimmt.

Der Autor diese Artikels, Bill McKibben, ist einer der Gründer der Klimakampagne 350.org. Man muss ihm zugute halten, dass sich seine Kritik nicht einseitig gegen die Verwendung von Biomasse zur Energiegewinnung richtet, sondern auch gegen den massiven Einsatz fossiler Rohstoffe. In der Sprache des Aktivisten: "Die Kunststoffproduktion ist der Plan B der fossilen Brennstoffindustrie. Angesichts sinkender Nachfrage nach fossilen Brennstoffen – aufgrund des zunehmenden Einsatzes erneuerbarer Energien, Elektroautos und dergleichen – setzt die Industrie auf Kunststoffe, um ihre Gewinne zu steigern und einen Markt für alle Ethane zu schaffen, die als Nebenprodukt des Hydrofrackings entstehen. Und es ist wichtig zu beachten, dass die fossile Brennstoffindustrie, die chemische Industrie und die Kunststoffindustrie ein und dasselbe sind: ein dreiköpfiges Monster."