14. Juli 2023 (Frankreichs Nationalfeiertag, der an den Sturm auf die Bastille vor 234 Jahren erinnert, und die legendäre Parole Liberté - Egalité - Fraternité!)
VORSATZ: Wenn wir einen Diskurs über die österreichische Nation führen wollen, so sollten wir uns folgende Bedeutungsbreite des Begriffes vergegenwärtigen, den die Übersetzungsmöglichkeiten des englischen Wortes "nation" anbietet: das Land, die Nation, der Staat, das Volk, die Völkerschaft.
Auf die Demontage unserer Demokratie nach Ausbruch der Corona-Herrschaft folgt die offen betriebene Demontage der österreichischen Neutralität. Mit der Aussage "die Neutralität gilt nicht mehr" von Ex-Kanzler und Ex-Außenminister Wolfgang Schüssel hat die Unterminierung der unsere Nation konstituierenden Werte - Demokratie und Neutralität - einen neuen Tiefpunkt erreicht. Das Nationalbewusstsein der Österreicher, die sich in der Zwischenkriegszeit mehrheitlich noch als "Deutsche" in einem unerwünschten Kleinstaat gesehen haben, ist nicht selbstverständlich. Umso wichtiger ist die Neutralität, die nicht nur Bedingung für den Staatsvertrag war, sondern auch die Bedingung für die Entfaltung der österreichischen Nation.
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KURZFASSUNG: Am 26. Oktober 1955 wurde das Neutralitäts-Gesetz beschlossen. Dieses Ereignis war für Österreich von herausragender historischer Bedeutung und der 26. Oktober wurde gleichzeitig zum Nationalfeiertag erhoben. Der kausale Zusammenhang zwischen Neutralität und Nation ist damit historisch bewiesen. Nationbuilding ist aber auch eine Frage der Geistesgeschichte. Dazu mehr in vier Teilen:
Teil 1:
Mit Nation war ursprünglich Zivilisation gemeint.
Teil 2
Nationen lösen Dynastien ab.
Teil 3
Die Vernichtung des Nationalismus durch den Nationalsozialismus.
Teil 4
Die Geburt der österreichischen Nation aus dem Geist der Neutralität.
Teil 1: Mit Nation war ursprünglich Zivilisation gemeint
Zur Erinnerung: Europa wurde seit 962 vom Heiligen Römischen Reich beherrscht, das seit dem 15. Jahrhundert als "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" bezeichnet wurde. Die Betonung liegt dabei auf Deutsch, weniger auf Nation. Deutsch waren die Kaiser, Römisch die Päpste. Seit Maximilian I. (1508) nannte sich der neu gekürte König "Erwählter Römischer Kaiser", auf eine Krönung durch den Papst in Rom wurde danach verzichtet. Der Begriff "Nation" wurde in dieser Konstruktion nicht so verstanden, wie er sich im 19. Jahrhundert heraus gebildet hat, sondern eher im Sinne von "Zivilisation".
Großmächte (China, Osmanisches Reich, Hl Römisches Reich) werden bis heute als Zivilisationen bezeichnet, das impliziert, dass die Gebiete außerhalb der Zivilisationen in guter römischer Tradition als Barbarengebiete be-trachtet und oft auch ver-achtet werden. Ich will nicht weiter vertiefen, was eine Zivilisation ist, sondern nur darauf hinweisen, dass die Begriffe Zivilisation und Nation vor Jahrhunderten weitgehend gleichbedeutend waren, während heute Bücher über die Zivilisationsgeschichte eher die Kulturgeschichte zum Inhalt haben, als das Thema "Nation-Building". Beispiel: Niall Ferguson bezeichnet sein Buch "Der Westen und der Rest der Welt" im Untertitel als "Geschichte vom Wettstreit der Kulturen". Ferguson führt den Aufstieg der westlichen Zivilisation auf ihre Überlegenheit in den sechs Bereichen Wettbewerb, Wissenschaft, Eigentum, Medizin, Konsum und Arbeitsethik zurück. Zivilisatorische Errungenschaften sind in dem Sinne Ausdruck kultureller, nicht nationaler Überlegenheit.
Westen versus Osten, Abendland versus Morgenland - sind grobe Charakterisierungen von Zivilisationen, nicht von Nationen im heutigen Sinn.
Kurzer Wechsel der Perspektive: Aufgrund ihres Glaubens an den Mythos vom Himmelssohn und seine universelle Herrschaft hatte China der Dynastien kein eigenes Außenministerium, denn die Chinesen betrachteten alle Menschen als Untertanen ihres Kaisers. Dieses Weltbild konnte noch im Jahre 1860 nicht erschüttert werden, als der Sommerpalast des Kaisers von britischen Soldaten im Zuge des Opium-Krieges zerstört und geplündert wurde. "Vom chinesischen Standpunkt aus gab es keine unabhängigen fremden Nationen, sondern nur nicht-chinesische Völker, die mehr oder weniger in Abhängigkeit vom Kaiser standen", schreibt John Morris Roberts in seinem Buch "Der Triumph des Abendlandes", das 1985 erschienen ist.
Teil 2: Nationen lösen Dynastien ab
Laut John Morris Roberts war der Begriff der "Nation" in Europa bis ins 19. Jahrhundert nicht gebräuchlich, wurde dann aber umso schneller zu einer konstituierenden Idee, so dass der Nationalismus "die Staatsgebilde des dynastischen Zeitalters" zerstörte. (Anmerkung: dynastisch wurden nicht nur das Chinesische, das Osmanische oder das Heilige Römische Reich geführt, sondern auch kleine Königreiche und kleinste Fürstentümer. Man darf nicht vergessen: Zur Zeit von Christopher Columbus herrschten rund 400 Dynastien in Europa, nicht nur die Habsburger mit ihren breit gestreuten Einflusszonen)
"Der Nationalismus hat die Welt auf den Kopf gestellt: Er ist für mehr als ein Jahrhundert die stärkste revolutionäre Kraft der Welt gewesen. [...] In den Vereinigten Staaten mußte ein Krieg geführt werden, der im Verhältnis mehr Menschenleben gekostet hat als jeder andere Krieg ihrer Geschichte, damit klar wurde, daß das Land aus einer Nation, nicht aus zweien bestand. Der Nationalismus ist das triumphierende Glaubensbekenntnis der Epoche", schreibt Roberts.
In der "Kulturgeschichte der Neuzeit" (3 Bände erschienen 1927-31) wurde erstmals herausgearbeitet, dass Nationen kein Phänomen aller historischen Epochen waren. Egon Friedell schreibt in diesem epochalen Werk: "Es wäre ein großer Irrtum, wenn man glauben wollte, daß es während der französischen Aufklärung bereits einen zielbewußten Kampf gegen die Aristokratie und das Königtum gegeben habe; das Angriffsobjekt war vielmehr zunächst fast ausschließlich die Kirche. Ein politisch erfahrener und geschulter Kopf hätte allerdings bereits in dieser Form der Opposition die Anzeichen einer allgemeinen Revolution erblicken können; aber die damaligen französischen Adeligen hatten keinen Begriff vom Leben der Nation und den bewegenden Kräften der Geschichte. Und vor allem hatten sie keinen Begriff vom Geld: die stärkste Macht der modernen Zivilisation war ihnen unbekannt."
Über die Teilung Polens in den 1770er Jahren schreibt Friedell: "Dieser in der neueren Geschichte vollkommen vereinzelt dastehende Vorgang hat jedoch in der öffentlichen Meinung fast gar keine Entrüstung ausgelöst, weil die damalige Menschheit kosmopolitisch orientiert war und daher die Vergewaltigung einer ganzen Nation gar nicht als solche empfand. Zumal in Deutschland war der heutige Begriff des Patriotismus gänzlich unbekannt."
Der junge Goethe schrieb in diesen Jahren: »Wenn wir einen Platz in der Welt finden, da mit unseren Besitztümern zu ruhen, ein Feld, uns zu nähren, ein Haus, uns zu decken, haben wir da nicht ein Vaterland? und haben das nicht tausend und tausende in jedem Staat? und leben sie nicht in dieser Beschränkung glücklich? Wozu nun das vergebene Aufstreben nach einer Empfindung, die wir weder haben können noch mögen, die bei gewissen Völkern, nur zu gewissen Zeitpunkten, das Resultat vieler glücklich zusammentreffender Umstände war und ist? Römerpatriotismus? Davor bewahre uns Gott wie vor einer Riesengestalt!«. Diese Zitat bringt Friedell und schreibt weiter: "auch noch als ausgereifter Mann notiert er [Goethe] in sein Tagebuch im Hinblick auf die soeben erfolgte Gründung des Rheinbundes: »Zwiespalt des Bedienten und Kutschers auf dem Bock, welcher uns mehr in Leidenschaft versetzte als die Spaltung des Römischen Reiches.«"
Gemeint ist die Spaltung des Römischen Reiches "Deutscher Nation" im Jahr 1806. Stefan Vajda kommentiert in seiner Geschichte Österreichs "Felix Austria" die Gründung des Rheinbundes: "Der Rest, immerhin noch 76 unabhängige Länder und Städte mit eigener Finanzgebarung und Gesetzgebung, mit eigenem Hofstaat und Soldatenspiel, rührte keinen Finger, um die unnütze und ungeliebte Fiktion, das Heilige Römische Reich, zu retten. Franz II. zog die Konsequenzen (Napoleon half mit massiven Drohungen nach) er legte die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation schon eine Woche nach der Gründung des Rheinbundes nieder."
Dazu würde die Losung passen: "Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ist tot. Es lebe die Deutsche Nation".
Stellvertretend für die Sicht der Franzosen könnte man Voltaire zitieren, der sagte: "Das heilige römische Reich, – weder heilig, noch römisch, noch Reich." Aber das ist ein andres Thema.
Um die These "Nationen lösen Dynastien ab" abschließend zu begründen, sind die Fragen über die "Geburt der Nation" zu beantworten:
Was waren die Ingredienzien des Nationalismus des 19. Jahrhunderts?
Wie verlief die deutsche Nationen-Bildung im 19. Jahrhundert?
Beginnend mit der zweiten Frage begann Nation-Building in den Ländern des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches mit dem Wiener Kongress und den Bürgerlichen Revolutionen (Julirevolutiionen 1830, Februarrevolutionen 1848). Friedell schreibt: "Mit dem Wiener Kongreß beginnt die Geschichte der Gegenwart ... die Jahre von 1815 bis 1830, vom Wiener Kongreß bis zur Julirevolution, stehen in auffallendem Maße unter dem Gesetz der historischen Ungerechtigkeit. Man bezeichnet diese Periode im allgemeinen als die Ära der Reaktion oder der Restauration. In dieser Doppelbenennung ist bereits der ganze Widerstreit der Beurteilungen enthalten, die sie erfahren hat und noch erfährt."
[Anm HTH: Reaktion steht für Erhaltung der Dynastien, Restauration steht für die Transformation der europäischen Dynastien im Geiste der napoleonischen Grande Nation nach der Niederschlagung Napoleons.]
Friedell weiter: "Die neue Landkarte.... Die Bestimmungen des Wiener Kongresses waren ein Rückfall in die tristesten Zeiten dynastischer Kabinettspolitik. Auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerungen wurde weder bei der inneren Organisation noch bei der äußeren Territorialgestaltung der neugeschaffenen Staaten Rücksicht genommen. Die vorrevolutionäre Landkarte konnte man indes doch nicht vollständig wiederherstellen."
Die Ingredienzien des Nationalbewusstseins haben Philosophen und Dichter geliefert die damals noch Einfluss auf die Geschichte, zumindest auf die Geistesgeschichte ausüben konnten. Wenn auch das Dreigestirn Goethe-Schiller-Lessing kritische Bonmots über die Idee der Nation zum Besten gaben, so haben andere anerkannte Denker offenbar systematischer und erfolgreicher an der Verbreitung der National-Idee gearbeitet. Insbesondere Johann Gottlieb Fichte mit seinen "Reden an die Deutsche Nation" und die Brüder Grimm mit der "Deutschen Grammatik", dem "Deutschen Wörterbuch", der "Deutschen Mythologie" bis hin zu den deutschen Heldensagen. Dazu kamen Nationaltheater, die Erforschung des Nationalcharakters, die Inter-Nationale, die National-Ökonomie und nicht zuletzt der Nationalismus. Die Pointe der Geschichte: ausgerechnet die Kritiker der Nationalen Idee, Goethe/Schiller/Lessing wurden später zu Nationaldichtern erhoben.
Friedell: "Einen bewunderungswürdigen Mut bewies er [Fichte] durch seine »Reden an die deutsche Nation«, die er im Winter 1807 auf 1808 hielt, während in Berlin ein französischer Befehlshaber residierte: man fürchtete allgemein, daß ihn das Schicksal des Buchhändlers Palm treffen werde, und er selber war darauf gefaßt. Er forderte in ihnen die sittliche Wiedergeburt des Volkes als Vorbedingung der politischen Wiedergeburt, und es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, daß sie einen der stärksten Antriebe zur Erhebung von 1813 gebildet haben."
Friedell: "In seiner »Deutschen Grammatik« erforschte Jakob Grimm mit zartestem Verständnis die Psychologie der Sprachbildung, in den »Deutschen Rechtsaltertümern« und der »Deutschen Mythologie« grub er tief in den dunkeln Schacht des nationalen Lebens; Wilhelm Grimm ging der deutschen Heldensage nach und gab altdänische Balladen, den Freidank, den Rosengarten, das Rolandslied und vieles andere heraus; gemeinsam edierten die beiden Brüder die berühmten »Kinder- und Hausmärchen«, irische Elfenmärchen, verschollene heimische Dichtungen wie das Hildebrandslied und den Armen Heinrich und begannen das Riesenwerk des »Deutschen Wörterbuchs«. "
Anders gesagt: Die Entwicklung des Nationalbewusstseins hat im 19. Jahrhunderts schrittweise alle Bereiche erfasst, es erwachte im Kampf gegen das Standesbewusstsein (das kritische und erfolgreiche Bürger - Unternehmer ebenso wie Künstler - nur noch als Standesdünkel wahrnahmen), wurde Jahrzehnte nach dem Wiener Kongress von den Ständen vereinnahmt und endete für "Kaiser, Volk und Vaterland" mit dem 1. Weltkrieg. Mit John Morris Roberts kann man zusammenfassen: Die "vergötterte Idee des Nationalstaates" hat sich später auch in der "nicht-westlichen Welt als unwiderstehlich" erwiesen. So war es leicht, die Idee überall einzuführen - ein Export, der die Vormacht des Westens im 19. Jahrhundert und nach dem 1. Weltkrieg weiter stärkte.
Teil 3: Die Vernichtung des Nationalismus durch den Nationalsozialismus
Der Ausbruch des 1. Weltkriegs wurde von allen Seiten, von allen Ständen und Klassen mehrheitlich mit großem Enthusiasmus begrüßt. Offenbar führte der Status-quo, die Selbstherrschaft der Monarchen, trotz mancher Mitbestimmungsrechte der Stände, zu einem Zustand der ständigen Anspannung, so dass der Ausbruch des Krieges wie eine Ent-Spannung empfunden wurde. Das Ende des 1. Weltkrieges bedeutete folgerichtig das Ende der europäischen Dynastien und den Beginn der Nationalstaaten. Die Grenzen der europäischen Nationalstaaten wurden großteils entlang der Grenzen von Volksgruppen gezogen. So wurde die Begriffe Nation und Volk in den Nationalstaaten Europas zum Synonym.
Die Idee der Nation hat sich schon im 19. Jahrhundert zur Ideologie des Nationalismus entwickelt.
Das ist eine natürliche Entwicklung jeder starken Idee. Jede offene Gesellschaft besteht aus vielen Ideologien, jede Demokratie lebt vom Dialog und Streit der Ideologien. Die Problematik jeder Ideologie wird dann virulent, wenn sie Anspruch erhebt, alleine die Antworten auf alle Fragen und Probleme zu liefern. So entwickelt sich eine Ideologie nicht zwangsweise, aber häufig zum Totalitarismus, eine Demokratie zur totalitären Diktatur.
In der Zwischenkriegszeit konvertierte der Nationalismus zum Rassismus. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, ja sogar weltweit.
Dokumente für weltweite Phänomene des Rassismus liefert Philipp Blom in seinem Buch "Die zerissenen Jahre. 1918-1938". Die philosophische Quintessenz seines Buches: Der Zeitgeist der 1920er und 1930er Jahre manifestierte sich im Rassismus, Rassismus war der Schlüsselbegriff der Zwischenkriegszeit, der sich nicht nur im deutsch/österreichischen Antisemitismus manifestierte, sondern auch in der US-amerikanischen Rassentrennung, in der allgegenwärtigen Gewaltbereitschaft, in der Neigung zur Grenzüberschreitung und nicht zuletzt im Totalitarismus. Dabei geht es nicht nur um Hitler, Mussolini oder Stalin, auf den die Kriterien des Rassismus gleichermaßen angewendet werden können, sondern auch um die Geisteshaltung von Menschen aus Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.
"Während der 1920er Jahre war die Debatte über 'arische Physik' in vollem Gange. Einer der wichtigsten Exponenten war der Nobelpreisträger Philipp Lenard, der in seinem vierbändigen Werk 'Deutsche Physik' (1936) erklärte: "[....] Von einer Physik der Neger ist noch nichts bekannt; dagegen hat sich sehr breit eine eigentümliche Physik der Juden entwickelt, die nur bisher wenig erkannt ist." (Philipp Blom)
Antisemitismus wird oft als Phänomen sui generis betrachtet. Die Unmenschlichkeit des Holocoust können sich manche Historiker nur mit Begriffen wie "das Böse schlechthin" und der Wortschöpfung "Unrechtsstaat" erklären. Und Politiker unserer Zeit, die gerade die Demokratie und Neutralität mit Füßen treten (wie VdB, Nehammer und Ex-Kanzler Schüssel, um nur drei Namen zu nennen, damit sie eine Gelegenheit mehr bekommen, den politischen Diskurs in die Gerichtssäle zu verlegen), können uns mit derartigen wissenschaftlichen Einschätzungen vorspiegeln, ihrerseits die legitimen Vertreter eines "immerwährenden" Rechtsstaates zu sein. Philosophisch betrachtet ist Antisemitismus eine von vielen Ausformungen des Rassismus, die sich wie oben skizziert in Rassentrennung, Gewaltbereitschaft, Grenzüberschreitung und Totalitarismus manifestieren.
Wie die Rassen wurden in der Zwischenkriegszeit auch Klassen als minderwertig bezeichnet und entsprechend behandelt. Bom bringt Beispiele:
Philipp Blom über Rassentrennung:
"Im ersten Weltkrieg wurden erstmals schwarze Soldaten rekrutiert, sie kamen getrennt von den Weißen in eine eigenes Infanterieregiment, die [beliebten und gefeierten] "Harlem Hellfighters". Am Neujahrstag 1918 landeten sie in Frankreich. ... Zurück in den USA "kam das böse Erwachen. Im zivilen Leben waren die 'Hellfighters' wieder Bürger zweiter Klasse, die im segregierten Süden offen und im Norden weniger offen diskriminiert wurden. Der Ku-Klux-Klan gewann Tausende von neuen Mitgliedern, Lynchmorde häuften sich [...] Die Mitgliedschaft im Klan war in Amerika geborenen weißen Protestanten vorbehalten, und obwohl sich ihre Feindschaft vor allem gegen Schwarze richtete, griffen sie auch andere 'unamerikanische' Menschen an wie zum Beispiel Juden, Katholiken und 'Sozialisten' [...] Auch die Gewerkschaften sahen es nicht als ihre Rolle zu vermitteln, sondern schürten die Spannungen weiter.
Philipp Blom über Gewaltbereitschaft:
"Die Motivation für die Kämpfe, die als Schlacht um Blair Mountain [USA] bekannt werden sollten, war nicht die Weltrevolution, sondern die grausame Ausbeutung der dort beschäftigten Bergleute. [...] Tatsächlich waren die Überlebenschancen eines Bergmanns schlechter als sie es für die Soldaten an der Westfront gewesen waren."
Philipp Blom über Grenzüberschreitung:
"Viele Angehörige der gesellschaftlichen Eliten in den Ländern des Westens waren begeisterte Eugeniker. In Großbritannien zählte das Galton Institute, benannt nach dem Eugeniker Sir Francis Galton, nicht nur den Ökonomen John Maynard Keyens zu seinen Mitgliedern, sondern auch den zukünftigen Premierminister Arthur Neville Chamberlain [...] George Bernard Shaw, Virginia Woolf, der Philosoph Bertrand Russel, der Schriftstellen H.G Wells und viele weitere, eine Liste, die sich wie das Who's Who des britischen intellektuellen Lebens liest."
Philipp Blom über Totalitarismus:
"Der Kommunismus konnte sich auf dem Land nicht etablieren, und Stalin und sein enger Vertrauter Lasar Kaganowitsch waren der Überzeugung, dass die einzig mögliche Antwort darauf war, die Kulaken als Klasse zu liquidieren."
"Ein furchtbarer Wettbewerb der Grausamkeit entwickelte sich zwischen Lenins gefürchteter Geheimpolizei, der Tscheka, die etwa eine Viertelmillion Menschen ohne Gerichtsverfahren hinrichtete, und monarchistischen Kosakentruppen, die allein in ihrer Provinz 25.000 Zivilisten erschossen.
Philipp Blom über Antisemitismus:
"Angeführt Von Hans Karl Leistritz, ... plante die nationalsozialistische Studentenorganisation eine große Kampagne gegen die Werke der Schriftsteller, Wissenschaftler und Akademiker, die sie nicht für ausreichend deutsch hielten, ... präsentierten sich die Studenten als die legitimen Erben Martin Luthers und erstellten eine Liste mit 'Thesen wider den undeutschen Geist' "
"Während der alte Komponist [Richard Strauss] seine NS-Uniform, die er zu offiziellen Anlässen trug, aus einer im Grunde unpolitischen Haltung heraus überstreifte, war der 49-jährige Philosoph Martin Heidegger tatsächlich von der nationalsozialistischen Ideologie fasziniert und erhoffte sich von ihr eine Erneuerung der Zivilisation. ... 1933 war er der NSDAP beigetreten."
RESÜMEE dieses Kapitels
Dass Rassismus in der Zwischenkriegszeit ein weltumspannendes Phänomen war, entschuldigt kein einziges Verbrechen der Nazis. Hier geht es darum zu zeigen, dass rund 100 Jahre der Entwicklung von Nationen und ihres jeweiligen Nationalbewusstseins einerseits zum Ende der Monarchien, anderseits zur Entwicklung von Nationalismen und rassistischen Haltungen führte. In diesem Umfeld konnte die "Deutsche Nation" ohne größeren inter-nationalen Widerstand zum Tausendjährigen Reich aufsteigen. Die Österreicher als Erfüllungsgehilfen des Deutschen Reiches folgten beim Anschluss nicht nur dem Führer, sondern vor allem ihren Führern aus allen Lagern, darunter Karl Renner. So wie der Sozialist Renner waren so gut wie alle Politiker in der Zwischenkriegszeit deutschnational gesinnt und mehr oder weniger antisemitisch. Die Erste Republik hieß zuerst "Deutsch-Österreich" und musste nach Intervention der Siegermächte "Deutsch" aus ihrem Namen streichen. Damit war aber noch lange kein Bewusstsein einer österreichischen Nation da. Sogar Hans Kelsen, der so genannte "Vater" der österreichischen Verfassung, war der Überzeugung, dass diese Verfassung nur für eine Übergangszeit tauge, und die Überwindung von "der Rest ist Österreich" nur durch den Anschluss an Deutschland möglich sei. Der Anschluss kam, anders als von den meisten ersehnt, erhofft oder gar geplant.
Teil 4: Die Geburt der österreichischen Nation aus dem Geist der Neutralität.
"Der 'Anschluß' kam anders" ist der Titel des 11. Kapitels in Bruno Kreiskys 1. Teil seiner Memoiren. "Die österreichische Diktatur, die gut vier Jahre gedauert hatte, war der fruchtbarste Boden für die Drachensaat des Nazismus. Im Grunde war der Kleriko-Faschismus ein einziges Vakuum. Und in dieses Vakuum stieß eine Bewegung vor, die ihre politischen Ziele sehr viel hemmungsloser manifestierte. Das Regime hatte immer mehr an Boden verloren und in steigendem Maße Unsicherheit verbreitet. Zwar wußte niemand genau, was der Nazismus bringen würde, aber daß er anders aussehen würde als das mit den Mitteln der Diktatur mühsam aufrechterhaltene System der Unfreiheit, lag auf der Hand. Anders als das, was man hatte - das hieß für die meisten eben, daß es nur besser werden könne."
Anders als damals geht die Mehrheit der Österreicher - trotz aller antidemokratischen Entwicklungen der vergangenen Jahre - heute davon aus, dass es durch grundlegende Veränderungen "nur schlechter werden könne". Aber das ist ein anderes Thema. Hier geht es um die Weltanschauung von Bruno Kreisky. An der Spitze seiner Feindbilder stand bis an sein Lebensende der Austrofaschismus, knapp gefolgt vom Kommunismus. Mit großem Abstand folgte der Nationalsozialismus, der seine Ziele zwar "hemmongsloser manifestierte" als der Klerikofaschismus, aber doch die Hoffnung weckte, "daß es nur besser werden könne." Nationalsozialisten waren zwar Nazis, aber viele von ihnen lediglich (temporär) enttäuschte Sozialisten, so das Weltbild von Kreisky. Für ihn und die damalige SPÖ, ebenso wie für führende ÖVP-Funktionäre, war das Thema Nationalis-mus mit dem Ende der Nazidiktatur, das Kreisky persönlich in Schweden erlebte, abgehakt.
Nationalismus war ab 1945 in Österreich gleichbedeutend mit Nationalsozialismus, gleichbedeutend mit Deutschnationalismus. Nationalismus war passe, Nationalismus war für drei Jahrzehnte aus den Themenspektrum der Tagespolitik gestrichen. Dies galt bis zur "legendären" Aussage des FPÖ-Führers Jörg Haider, die österreichische Nation sei eine "ideologische Mißgeburt" (SN am 18.8.1988) Haider im O-Ton (Inlandsreport 18. August 1988): "Das wissen sie so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologische Missgeburt, denn die Volkszugehörigkeit ist die eine Sache und die Staatszugehörigkeit ist die andere Sache." (Quelle: news.at)
Haider, der sich selbst gerne als Erbe von Bruno Kreisky bezeichnete, hat mit Sicherheit "Zwischen den Zeiten" (den ersten Teil von Kreiskys Memoiren, der 1986 erschienen ist) gelesen, insbesondere die Zeilen: "Was nun die jetzt wieder so aktuelle Entnazifizierung angeht - die man euphemistisch 'Bewältigung der Vergangenheit' nennt -, so stellt sich als erstes die Frage: Wie sollte man den Aufbau eines Kleinstaates angehen, in dem vierzehn Prozent der Wahlberechtigten registrierpflichtige Nationalsozialisten waren? ... Wir mußten darauf vertrauen, daß die Menschen, klüger geworden durch Erfahrung, ihren Weg zur Demokratie finden." (428)
Es hat bis 1995 gedauert, bis ein Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus eingerichtet wurde. Das zeugt einerseits davon, dass man die Vergangenheitsbewältigung in Österreich 50 Jahre lang verschleppt hat, anderseits, dass man das Thema Nationalsozialismus nie wirklich abgeschlossen und eine Diskussion über die Frage der Österreichischen Nation nie wirklich geführt hat.
Über die never ending story "Vergangenheitsbewältigung" hat der sozialistische Philosoph Rudolf Burger (25.7.2001 Wiener Zeitung) geschrieben: "Der Aufsatz "Die Irrtümer der Gedenkpolitik" (20.6.2001 in derStandard.at) hat aus meiner Sicht drei Zielpunkte, zwei theoretische und einen ästhetischen. 1. Ich behaupte, die Verdrängungstheorie ist schlicht und einfach falsch. 2. Die Warnungs- und Erweckungsprosa - 'Niemals vergessen, damit es sich nicht wiederholt' - ist ebenso falsch. Für die Richtigkeit gibt es kein Beispiel in der Geschichte. Das sind die beiden theoretischen Punkte. Der ästhetische ist der, dass es mich ekelt davor, wie in den Medien und in der öffentlichen Diskussion mit den Geschehnissen in der Nazizeit umgegangen wird. Den scholastischen Streit, ob es sich bei den Verbrechen der Nazis um das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte handelt, halte ich für unfruchtbar. Der Holcaust ist zu einem Atout in jeder politischen Auseinandersetzung geworden. Ich halte das für eine schamlose moralische Sekundärausbeutung der Opfer."
Über die österreichische Nation als Missgeburt gab es naturgemäß jede Menge Aufregung, aber auch eine vom Verursacher der Diskussion sicher nicht intendierte Entwicklung: das Erwachen des österreichischen Nationalbewusstseins. Dialektisch betrachtet könnte man dieses Kapitel daher auch nennen: Die Geburt der Nation aus der Negation ihrer Missgeburt. Aber ohne philosophische Ironie und ohne die Metapher der "Geburt "unserer Nation überstrapazieren zu wollen, ist die Frage zu stellen: wann genau war das Geburtsdatum?
33 Jahre nach Einführung des National-Feiertags an dem Tag, als der National-Rat das Verfassungsgesetz zur immerwährenden Neutralität angenommen hat,
33 Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrags, der die Souveränität Österreichs anerkennt, und den Status Österreichs als Demokratie bekräftigt,
33 Jahre nach dem legendären Ausspruch "Österreich ist frei" von Leopold Figl im Rahmen der Staatsvertrags-Unterzeichnung im Wiener Belvedere,
haben die Österreicher (nicht nur aus Widerspruch und Protest gegen Haiders Bonmot) entdeckt, dass sie eine Nation sind. Die Geburt der österreichischen Nation darf man freilich auf das Jahr 1955 verlegen, den Geburtstag auf den 26. Oktober 1955. Anders gesagt: der 26. Oktober konstituiert den kausalen Zusammenhang zwischen österreichischer Neutralität und österreichischer Nation.
Stephan Vajda bestätigt: "Der 26. Oktober wurde als 'Tag der Fahne' zum Nationalfeiertag erklärt, obwohl der Tag mit der österreichischen Fahne nichts zu tun hat, vielmehr mit der Österreichischen Neutralität und, falls die Behauptung über den namentlich nicht genannten britischen Offizier stimmt, mit dem Abmarsch des letzten Besatzungssoldaten. [Anmerkung HTH: als Symbol unserer wieder erlangten Freiheit!] Doch für nationale Feiertage wie auch für Nationalismus traditionellen Zuschnitts schlechthin zeigt die Bevölkerung der Zweiten Republik kaum Interesse." [Anm. HTH: geschrieben 1985, also drei Jahre vor dem "Weckruf" von Jörg Haider!]
Als Kampfmittel gegen die laufende Vernichtung unserer Neutralität sollten alle Verteidiger unserer Grundwerte das Neutralitätsgesetz im Verfassungsrang auswendig lernen, es besteht lediglich aus zwei Artikeln:
Artikel I.
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Artikel II.
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut
Die Verfassung aus dem Jahr 1920 hat an der deutschnationalen Gesinnung der Österreicher nichts geändert. Ganz im Gegenteil, wie die Gesinnung des "Vaters" der Verfassung beweist. Im Gegensatz dazu können der bejubelte Staatsvertrag und das darauf folgende Neutralitätsgesetz als Vater und Mutter der österreichischen Nation gelten. Auch wenn das Nationalbewusstsein Österreichs aus genannten Gründen nach 1955 noch lange schlummerte, so war, wie Staatvertrags-Jubiläen und Nationalfeiertage seither beweisen, die österreichische Nation schon zu ihrer Geburtsstunde ein gesundes, kräftigen Babys.
Ex-Kanzler Schüssel, der mit Hinweis auf Artikel 23j B-VG [Anm: Zusatzartikel über den Beitritt Österreichs zur EU] ganz einfach behauptet, "die "Neutralität gilt nicht mehr", kann man mit seinen 78 Jahren damit entschuldigen, dass sich erste Anzeichen von Senilität zeigen. Schüssel, der in seinem Aufsatz wider besseres Wissen das Neutralitätsgesetz und die klaren Forderungen des Artikel 9a B-VG (Bekenntnis zur "umfassende Landesverteidigung ... zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität") ignoriert, kann man nur geistige Verwirrung unterstellen.
Im direkten Vergleich zu den intellektuellen Dünnbrettbohrern, die nach Schüssel ÖVP-Kanzler waren, muss man ihn als herausragenden politischen Denker bezeichnen. Aber angesichts dieser Ausführungen muss man sich fragen, wann er den Aufsatz mit dem Titel "Demokratie gilt nicht mehr" publizieren wird. Denn wenn das Neutralitätsgesetz nichts mehr gilt, dann ist auch die im Staatvertrag verankerte Demokratie nichts mehr wert. De facto wurde unsere Demokratie nach Ausbruch der Corona-Herrschaft schon vernichtet, Schüssel will vielleicht dadurch in die Geschichte eingehen, dass er den geistigen Überbau dafür liefert.
Schüssels Nachfolger im Kanzleramt, seinem Parteigenossen Karl Nehammer, muss man allerdings mitteilen, dass seine gezielte Geschichtsverfälschung - die Neutralität "wurde uns aufgezwungen von den Sowjetkommunisten als Preis dafür, dass wir die Freiheit wieder erlangen konnten 1955" (Details: info-direkt.eu) und die damit verknüpfte Absicht, den Beitritt Österreichs zur Nato verfassungswidrig vorzubereiten, ein Verrat an der Neutralität und der österreichischen Nation ist. Dieses Urteil gilt moralisch betrachtet - rechtlich betrachtet muss man festhalten:
Nehammer, der laut Verfassung für die Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes verantwortlich ist, begeht Hochverrat.
NACHSATZ
Laut minilex.at liegt Hochverrat dann vor, wenn eine Person versucht, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung Österreichs zu ändern oder unternimmt ein Gebiet, das zu Österreich gehört, abzutrennen. Laut § 244 StGB gilt: "(1) Wer mit einem anderen die gemeinsame Begehung eines Hochverrats verabredet, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen Hochverrat in anderer Weise vorbereitet und dadurch die Gefahr eines hochverräterischen Unternehmens herbeiführt oder erheblich vergrößert oder wer einen Hochverrat im Zusammenwirken mit einer ausländischen Macht vorbereitet."
Die Nato ist eindeutig eine ausländische Macht. Punkt.
UPDATE
26. Oktober 2024 - Werner Sabitzer erinnert anlässlich des 50. Jahrestages an die Begründung von Unterrichtsminister Heinrich Drimmel für seinen Antrag im Ministerrat: „Es ist dies der Tag der Neutralitätserklärung Österreichs, der ersten Dokumentation eines selbständigen politischen Wollens Österreichs in voller Freiheit.“ Das war 1956, als der 26. Oktober zum Tag der Flagge erhoben wurde. Am 25. Oktober 1965 wurde der Tag zum Nationalfeiertag erklärt. Die Regierungsvorlage wiederholte die Position, die Drimmel ein Jahrzehnt zuvor eingenommen hatte. Demnach eigne sich der 26. Oktober besonders als Nationalfeiertag, „weil er der Gedenktag der ersten feierlichen Äußerung des Unabhängigkeitswillens der Republik Österreich nach Wiedererlangung ihrer vollen Souveränität und der Erklärung der immerwährenden Souveränität ist.“ Der Ö. Nationalfeiertag wird in der heutigen Form seit 1967 gefeiert.
LITERATUR
Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit, 1927-31
Stephan Vajda, Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs, 1985
John Morris Roberts, Der Triumph des Abendlandes, 1985
Bruno Kreisky, Zwischen den Zeiten, 1986 + Memoiren Teil II und III.
Niall Ferguson, Der Westen und der Rest der Welt, 2011
Ernst Piper, Nacht über Europa, 2013
Philipp Blom, Die zerrissenen Jahre 1918-1938, 2014
Henry Kissinger, Weltordnung, 2014
Philipp Ther, Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent, 2016
B-VG Bundes-Verfassungsgesetz mit Nebenverfassungsrecht
Update 18.3.2024: KI informiert politisch der ÖVP-Linie angepasst, aber faktenwidrig: „Der Nationalfeiertag in Österreich ist der 26. Oktober. An diesem Tag wird an den Abzug der Besatzungstruppen nach dem zweiten Weltkrieg und die Wiederherstellung der Souveränität Österreichs im Jahr 1955 erinnert.“
14.7.23 Dr. Heinrich Wohlmeyer per Mail
Danke für dieses bewundernwerte Zusammentragen von Quellen und Wissen ... und das Entstehen eines österreichischen Nationalbewusstseins! Ich gehe mit Ihnen weitgehend konform.
Die Zwischenkriegszeit beurteile ich anders: Otto Bauer hat mit seiner geforderten Diktatur des Proletariats die konservative Gegenbewegung befeuert. Dazu kam, dass Dollfuss sich zur Verteidigung gegen Hitler an Mussolini anlehnte und daher sein Gesellschaftsmodell weitgehend kopierte - eine Hoffnung, die nicht aufging. Dass Dollfuss dann auf Gewalt gesetzt hat, ist verständlich -aber nicht verzeihbar (Einführung der Todesstrafe!).
Mein Vater hat Dollfuss das Versprechen abgenommen, nach der Bedrohung durch Hitler wieder zur Demokratie zurückzukehren, und hat hierzu sogar eine Verfassung geschrieben, die leider durch US-Bomben zu Ostern 1945 vernichtet worden ist. Die letzten Worte des verblutenden Dollfuss waren seine Bitte um Verzeihung gegenüber allen, denen er Unrecht getan hat. Mein Vater war nämlich durch Zufall Zeuge: Er war auf dem Weg ins Büro, hörte die Schüsse und stürzte ins BKA.
Zur Entstehung der Neutralität habe ich ein Spontaninterview gegeben. das auf der Homepage des Forum Seitenstetten abrufbar ist.
Dass Sky Shield klar neutralitätsverletzend ist, sollte außer Streit stehen.
Wir müssen gemäß dem Staatsvertrag die Zustimmung der Alliierten - vor allem der Russen - einholen. Auch die Teilnahme am Wirtschaftskrieg gegen Russland, genannt 'Sanktionen', ist klar neutralitätswidrig.
Ihr Heinrich Wohlmeyer
Christoph Leitl: Europa und ich
Eine politische und persönliche Zeitreise
Verlag Ecowing, Erscheinungstermin: 21.3.2024
Im 1. Teil seiner Memoiren, "Zwischen den Zeiten (18. Kapitel, Der Staatsvertrag)", erinnert Bruno Kreisky an die Außenministerkonferenz 1954 in Berlin. ethos.at hat Auszüge daraus speziell für Kanzler Nehammer zusammengestellt und in einem Offenen Brief veröffentlicht.
Christoph Leitl zitiert in seiner politischen und persönlichen Zeitreise „Europa und ich“ den „Brief nach Brüssel“ des damaligen Außenministers Alois Mock vom 17. Juli 1989: »Herr Präsident! Im Namen der Republik Österreich habe ich die Ehre unter Bezugnahme auf Artikel 237 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft den Antrag auf Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu stellen.« Im weiteren Text erläutert das offizielle Österreich, dass es »auch als Mitglied der Europäischen Gemeinschaften aufgrund des Beitrittsvertrages in der Lage sein wird, die ihm aus seinem Status als immerwährend neutraler Staat erfließenden rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und seine Neutralitätspolitik als spezifischen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in Europa fortzusetzen«. (S. 83)
Angesichts steigender Kriegsgefahren sieht Leitl Österreich „doppelt in der Pflicht: als Teil des Friedensnobelpreisträgers Europäische Union und als neutrales Land. Neutralität im europäischen Kontext beweist ihren Sinn dann, wenn wir sie in der Förderung von Begegnungen und Dialog nützen. Wäre das nicht einen Versuch wert? Wer einen Versuch wagt, hat zumindest eine Chance. Wer keinen Versuch riskiert, ist dazu verurteilt, einer Entwicklung, die andere steuern, zu folgen. Mit allen Konsequenzen und Turbulenzen. Noch nie war eine aktive und engagierte Neutralität Österreichs so gefragt wie jetzt, mit der wir unserer Verantwortung sowohl für Österreich als auch für Europa gerecht werden könnten. Dazu möchte ich nochmals aus dem im Jahr 1989 der Europäischen Union übergebenen Beitrittsansuchen zitieren, in dem es heißt, Öster reich werde »seine Neutralitätspolitik als spezifischen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in Europa fortsetzen«. Dem ist nichts hinzuzufügen. Machen müssen wir es.“ (S 150)
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