Energiewende Deutschland: Pellets quo vadis? - Strombedarf in DE

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Im Geiste der "Atomkraft? Nein danke"-Bewegung war die Studie aber primär eine Kampfschrift gegen die Atomkraft. Kritisiert wurde "die nukleare Sackgasse", 20 Milliarden DM an Steuergeldern wurden investiert und decken "gerade 10% des Stromverbrauches und nur 2% unseres Endenergieverbrauchs". Das hat sich jedoch in den folgenden Jahrzehnten deutlich geändert. Im Jahr 2000 lag der Anteil der Atomenergie an der gesamten Stromproduktion des Landes bei 30 Prozent, ist bis 2004 sogar auf 32 Prozent gestiegen und danach bis 2020 auf 12,5 Prozent gefallen. Im "Corona-Jahr" 2020 hatte Deutschland mit 488 TWh den geringsten Stromverbrauch dieses Jahrhunderts, doch der Rückgang zeichnete sich schon in den vergangen Jahren ab.

2015 - 647 TWh

2016 - 648 TWh

2017 - 654 TWh

2018 - 541 TWh

2019 - 513 TWh (Quellen: Fraunhofer ISE und strom-report.de)

Kohleausstieg betrifft Kraftwerke und Reviere

Auf den Atomausstieg folgt der Kohleausstieg. So muss Deutschland nun umgehend 61 TWh Atomstrom und nach den neuesten ambitionierten Zielen in den nächsten fünfzehn Jahren 36 TWh aus Steinkohle und 82 TWh aus Braunkohle kompensieren. Nicht nur das! Das Ende fossiler Energieträger ist die eine Seite der Energiewende, die zweite Seite der Medaille ist der Umstieg ganzer Branchen auf Strom - Stichwort E-Mobilität - womit mittelfristig der Strombedarf wieder massiv steigen wird.

Die Studie "Klimaneutrales Deutschland" zeigt auf, in welchen Bereichen die größten Zuwächse zu erwarten sind : "Die steigende Elektrifizierung und die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff sind die Haupttreiber für den Anstieg des Stromverbrauchs bis 2050 auf etwa 960 TWh. Von dem Anstieg entfallen etwa 160 TWh auf den Verkehr, 130 TWh auf die Wasserstoffherstellung und etwa 70 TWh auf die Industrie. Leicht rückläufig entwickelt sich der Stromverbrauch im Gebäudesektor." Allerdings wird mit einer massiven Zunahme von Wärmepumpen gerechnet, doch Effizienzverbesserungen bei Elektrogeräten und Beleuchtung sollen diesen Anstieg wettmachen.

strom-report.de liefert mit Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) jedes Jahr einen anschaulichen Überblick über den Strommix in Deutschland. Mit 50,5 Prozent liegen die Erneuerbaren im Jahr 2020 erstmals an der Spitze, der Biomasse-Anteil liegt bei 9,3 Prozent.

DE Stromerzeugung

Um eine Vorstellung zu bekommen, von welchen Energiemengen die Rede ist, hier ein Beispiel: Neurath in Grevenbroich, eines der größten Braunkohlekraftwerke des Landes, schafft mit drei Blöcken 4,2 GW, oder 0,0042 TW. Im Dreischichtbetrieb fördert der Tagebau Garzweiler jährlich 35 Millionen Tonnen Braunkohle per Förderband und Werksbahn direkt zum Kraftwerk Neurath sowie zum fast ebenso großen Braunkohlekraftwerk Niederaußem. Bis 2038 wird Deutschland insgesamt noch 30 Braunkohlekraftwerke und 42 Steinkohlekraftwerke stilllegen, nachdem in den vergangen fünf Jahren bis Jahresende 2021 bereits 20 Kohlekraftwerke geschlossen wurden.

Mit den Maßnahmen im Energiesektor in Folge der Schließung der deutschen Kohlereviere beschäftigt sich der Abschlussbericht der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", die 2018 einberufen wurde, "um einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Gestaltung des energie- und klimapolitisch begründeten Strukturwandels in Deutschland herzustellen". Im Gegensatz zu dem für ein Tagebau Revier typischen Raubbau, der in den vergangen 100 Jahren auf Umwelt und Bewohner wenig Rücksicht genommen hat, liest sich dieser Bericht stellenweise wie das Brevier Philipps des Guten.

"Die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung ist eine historische Aufgabe. Seit Jahrzehnten ist die Kohle wesentlicher Bestandteil der sicheren Energieversorgung in Deutschland. [...] Die für einen erfolgreichen Klimaschutz notwendige Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung kann nur dann erfolgreich und mit Vorbildfunktion gelingen, wenn eine Reihe von Anforderungen in Einklang gebracht werden. Dazu zählen der Erhalt und die Schaffung neuer guter, tarifvertraglich abgesicherter Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen, [...] Deutschland braucht einen gesellschaftlich breit verankerten Konsens, der einen sozial ausgewogenen und gerecht gestalteten Übergang in ein neues Energiesystem ebnet und für die kommenden Dekaden sicherstellt." Amen sagen dazu nicht alle Betroffenen.

Zwar hat der zuständige Aachener Bischof Helmut Dieser seinen Sanktus gegeben, doch nun legt er sich gegen die "Entwidmung" der Dorfkirche von Keyenberg quer. Nachdem die Baggerschaufeln des Tagebaus Garzweiler in den vergangenen fünfzehn Jahren schon sechs Dörfer abgegraben haben, soll vor der Heilig-Kreuz-Kirche in Keyenberg Schluss sein. Auch wenn es Verträge mit RWE gibt, so sollen diese aufgrund einer neuen Leitentscheidung der Landesregierung von NRW überprüft werden. Die Backsteinkirche im neugotischen Stil wurde 1913 fertiggestellt und in den vergangenen Jahren zum Symbol des Widerstandes der wenigen Dorfbewohner, die sich gegen eine Absiedlung wehren.