"Klimaschutz mit Wald"
"Biologie in unserer Zeit - BiuZ", die Mitgliederzeitschrift des Verbandes Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland (VBiO) veröffentlicht in der Ausgabe 1/2021 den Artikel "Klimaschutz mit Wald" von Ernst-Detlef Schulze und sieben weiteren Wissenschaftern, die den Wald nicht nur aus Sicht von Klimaschutz und Artenvielfalt betrachtet, sondern auch die Gemeinnützigkeit von Eigentum, die Rechte der Eigentümer sowie die Nachhaltigkeit der Nutzung" in der Untersuchung berücksichtigen.
Zunächst wird klargestellt, dass derzeit vier verschiedene Monitoring- Systeme zur Messung von Treibhausgasen und dem entsprechend unterschiedliche Anrechnungen existieren. Nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls Ende 2020 sind neue Regeln zur Anrechnung der Treibhausgase in Ausarbeitung. "In Zukunft werden für Deutschland Zahlen zum Komplex Wald aus vier verschiedenen Systemen vorliegen: Klimarahmenkonvention KRK, Kyoto Protokoll KP, Übereinkommen von Paris ÜvP und die Land Use, Land-Use Change and Forestry-Verordnung der EU LULUCF. Diese sind aufgrund der Systemunterschiede nicht unmittelbar vergleichbar. Es gibt eine Pflicht zur permanenten Verbesserung der Inventare, d. h. mit besseren Methoden oder neuen Datenquellen müssen auch die Werte der zurückliegenden Jahre neu berechnet werden. Es sind daher nur die jüngsten Berichte gültig."
Das Wachstum des Waldes wird gemäß der zweiten und dritten Bundeswaldinventur (2002 bzw. 2012) angegeben. In dieser Periode betrug der Holzzuwachs 1.252 Mio. m³ und die Abgänge (Nutzungen und Mortalität) 1.091 Mio. m³, so dass der Holzvorrat von 3.436 Mio.m³ auf 3.663Mio. m³ anstieg. Zwischen 2012 und 2017 erhöhte sich dieser Holzvorrat noch einmal um 205 Mio. m³ auf 3.868 Mio. m³. Der Forstwirt Martin Bentele schätzt den Bestand heute auf vier Milliarden m³ und verweist darauf, dass viele Wälder gar nicht bewirtschaftet werden: "Tausende Waldbesitzer haben lediglich ein bis zwei Hektar, da lohnt sich eine Bewirtschaftung nicht. So fallen große Flächen aus der Nutzung heraus. Nur in Bayern gelingt es bislang, kleine Flächen zu bündeln und genossenschaftlich zu bewirtschaften."
"Nachhaltigkeit" ist seit zwei Jahrzehnten in allen Branchen ein Modewort, doch für die Waldwirtschaft hat diesen Begriff bereits der kurfürstlich-sächsische Bergrat sowie Oberberghauptmann des Erzgebirges, Hans Carl von Carlowitz, im Jahr 1713 geprägt. So schreibt er in "Sylvicultura oeconomica": „Wird derhalb die größte Kunst, Wissenschaft Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darin beruhen, wie eine sothane Conversation und Anbau des Holzes anzustellen, dass es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weil es eine unentbehrliche Sache ist, ohnwelche das Land in seinem Esse [lat.=Wesen] nicht bleiben mag.“
Ernst-Detlef Schulze kommentiert: "Das Ziel von Carlowitz war es, sogenanntes Grubenholz für den Bergbau zu liefern, das die Schachtanlagen des Herzogs von Sachsen sicherte. Carlowitz sagt nichts zu den anzustrebenden Bestandesvorräten, es wurde nur festgelegt, dass die Nutzung nicht den Zuwachs auf Betriebsebene übersteigt. Damit werden die Holzvorräte auf Betriebsebene konstant gehalten. Es geht nicht um das Leben eines einzelnen Baumes, sondern um Waldbestände auf Landschaftsebene. Die Höhe des angestrebten Vorrates wird betrieblich festgelegt."
Bis heute gilt demnach: "Ein signifikanter Unterschied zwischen Wirtschaftswald und nicht bewirtschaftetem Wald besteht im Zuwachs. Der Wirtschaftswald hat höhere Zuwächse, die gleichbedeutend mit einem höheren Beitrag zum Klimaschutz sind. Ein Nutzungsverzicht führt zu wirtschaftlichen Verlagerungsprozessen, wobei der Holzbedarf durch Importe aus anderen Regionen der Welt gedeckt wird, deren Nachhaltigkeits-Standards oft geringer sind, oder das Holz durch andere Materialien ersetzt wird, die in ihrer Herstellung emissionsintensiver sind."
Neben systematischer Aufforstung geschlägerter Waldflächen hat die Bewirtschaftung des Waldes einen weiteren positiven Klima-Effekt, und zwar durch den Ersatz von Bau- und Werkstoffen, die bei der Herstellung deutlich größeren CO2-Abdruck hinterlassen. "Nach derzeitigen internationalen Abkommen wird zurzeit nur der Produktspeicher als Beitrag des Forst- und Holzsektors zum Klimaschutz angerechnet. Die Produktsubstitution wird als Abnahme im Verbrauch fossiler Brennstoffe registriert, aber nicht als solche ausgewiesen, oder gar zugunsten der Forst- und Holzwirtschaft angerechnet", so die Autoren des Artikels.
Ein Blick auf die Seite des Deutschen Holzwirtschaftsrats (DHWR) vermittelt einen Überblick über die Vielfalt der Unternehmen, die mit dem Rohstoff Holz zum Klimaschutz beitragen. DHWR, die Dachorganisation der deutschen Holzwirtschaft, vertritt 70.000 Betriebe mit rund 650.000 Beschäftigten, die einen Gesamtumsatz von 120 Milliarden Euro generieren. Zunächst landen die Baumstämme in einem von 2.000 Sägewerken - dem Bindeglied zwischen Forst- und Holzwirtschaft. In der Verwertungskette folgen: Papier- und Zellstoffproduzenten, die Holzwerkstoffindustrie (Spanplatten, Massivplatten und Sperrholz), Furnierwerke, Parketthersteller (die Nachfrage nach Parkett ist in den vergangenen 30 Jahren um 75 Prozent gestiegen), Paletten- und Packmittelhersteller, Holzhandel, Fertigbau, Zimmerer und Holzbaugewerbe (60.000 Beschäftigte), Möbelindustrie und -fertigung (100.000 Mitarbeiter), Tischler und Schreiner (42.000 Betriebe mit 185.000 Mitarbeitern), und nicht zuletzt die Energiegewinnung. "Seit 2004 sind im Bereich der Energiegewinnung aus Biomasse rund 250.000 Arbeitsplätze neu entstanden, bei einem jährlichen Umsatz von rund 10 Milliarden Euro."
Martin Bentele hat darauf hingewiesen, dass die Grenze der Wald-Bewirtschaftung die Wirtschaftlichkeit ist, sodass viele Kleinflächen sich selbst überlassen bleiben. Der Forstwirt erklärt aber auch, dass die Grenzen der Bewirtschaftung auch Grenzen für die Artenvielfalt darstellen: "Höchste Biodiversität findet man in bewirtschafteten Wäldern. Ohne Bewirtschaftung würden bei uns 70 Prozent gleichförmige Buchenbestände wachsen, und die Eiche würde beispielsweise auf ganz wenige Flächen zurückgedrängt. Eine hohe Vielfalt braucht Eingriffe eines kompetenten Forstmannes. Naturschutz bedeutet für den Fachmann auch, den Wald an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen - das ist eine hochwertige Form des Naturschutzes. Nicht zuletzt bindet ein Jungwald viel mehr CO2 als ein nicht genutzter Wald."
Rückblick und Ausblick
Rückblickend nochmals die Vorgaben aus "Klimaneutrales Deutschland" - aus Sicht der Agora Energiewende nicht eine von vielen Vision, sondern konkrete, alternativlose Zieldefinition: Im Jahr 2050 braucht Deutschland 960 TWh Strom, in Relation zu den 488 TWh von 2020 erfordert das eine Verdoppelung der Produktionskapazitäten in den kommenden 30 Jahren bei gleichzeitiger Reduktion der Hälfte (242 TWh) der bislang erzeugten Energieproduktion, nachdem 100 Prozent des Atom-, Erdgas-, Kohle-Stroms vom Netz genommen wurden. Die Differenz beträgt somit 716 TWh.
Muss gehen, meinen die Autoren der Studie, die auf diesen Fehlbetrag nicht eingehen und sich auch nicht mit nebensächlichen Fragen beschäftigen. Beispielsweise: wie soll das gehen? Vielleicht findet sich im Brevier von Philipp dem Guten dafür eine Gebetsformel - eine volkswirtschaftliche Formel, wie dieses Ziel erreicht werden kann, findet sich nicht in "Klimaneutrales Deutschland. In drei Schritten zu null Treibhausgasen bis 2050 über ein Zwischenziel von -65 % im Jahr 2030 als Teil des EU-Green-Deals"; auch eine Machbarkeitsstudie sucht man vergeblich. So marschiert derzeit mit deutscher Gründlichkeit eine ganze Division von Klimaschützern mit unzähligen Bataillonen gegen den Klimawandel auf. Wie das nächste Kapitel zeigt, steht Deutschland damit nicht alleine da - abgesehen von einigen Führungstruppen, die ein Tempo vorlegen, bei dem das Fußvolk möglicher Weise nicht mithalten kann.
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