Energiewende Deutschland: Pellets quo vadis?

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Pellets. Kapitel 4 + + + Der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg. So könnte man die Energiewende Deutschlands in einem Satz zusammenfassen. Endgültiger könnte ein Ausstieg gar nicht sein, hätte die deutsche Rechtschreibreform, die so alt ist wie der Atomausstieg, "endgültiger, am endgültigsten" als neuen Komparativ und Superlativ kanonisiert. Aktuell sind in Deutschland noch sechs AKW am Netz. Bis Ende 2021 werden Grohnde, Grundremmingen und Brokdorf abschaltet, die drei jüngsten Reaktoren, Isar 2, Emsland und Neckarwestheim sollen spätestens Ende 2022 vom Netz gehen.

UPDATE 4.5.2023: Pellets Verbot in Deutschland

Lediglich sechs Jahrzehnte hat die Atomenergie in Deutschland Haushalte beleuchtet und die Wirtschafts-Lokomotive angetrieben. Die Regierung Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer besiegelte im Jahr 2000 mit den Kraftwerkbetreibern den Atom-Ausstieg und hat 2002 das Atomgesetz entsprechend novelliert. Danach durften keine neuen AKW mehr gebaut werden und die Regellaufzeit wurde auf 32 Jahre ab Inbetriebnahme limitiert. Damit sollten spätestens 2021 alle AKW abgestellt sein. Im Herbst 2010 haben Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle die Laufzeiten der bestehenden 17 AKW um acht bis vierzehn Jahre verlängert. Und dann kam der 11. März 2011 mit dem Tsunami von Fukushima, auf den ein politischer Tsunami in Deutschland folgte. Schneller als die Verlängerungen in Kraft treten konnten wurde das endgültige Aus für Atomenergie in Deutschland beschlossen.

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ÖKO-Institut-Studie 1982

Als "Erfinder" der Energiewende sieht sich das Freiburger ÖKO-Institut, das bereits 1982 eine Studie mit dem Titel "Energieversorgung der Bundesrepublik ohne Kernenergie und Erdöl" vorgelegt hat. Zwar hat der Club of Rome schon 1972 auf die "Grenzen des Wachstums" im Allgemeinen und die Grenzen der Rohstoffvorräte im Besonderen hingewiesen, doch das ÖKO-Institut hat erstmals Konzepte entwickelt, wonach die wichtigsten fossilen Rohstoffe Erdöl und Erdgas bis 2030 komplett ersetzt werden sollten.

Die damalige Prognose: "Der bei dieser Entwicklung notwendige Einsatz von Kohle wäre in den nächsten Jahrzehnten ungefähr gleichbleibend und würde sich vom heutigen Verbrauch nicht nennenswert unterscheiden. Die Bundesrepublik könnte sich bis zum Jahr 2030 in der Energieversorgung so gut wie völlig von Importen unabhängig machen und ihren Primärenergiebedarf etwa je zur Hälfte aus heimischer Kohle und sich erneuernden Energiequellen decken." Sehr optimistisch waren die Autoren bei der Annahme, dass "mit heute einsetzbaren Techniken bis zum Jahre 2030 Senkungen des spezifischen Endenergieverbrauchs" möglich wären: bei Raumheizungen um 70%, Autos 60%, Industrielle Prozesswärmeeinsatz 30%, elektrische Haushaltsgeräte 65%, elektrische Antriebe 30%.

 


 

Im Geiste der "Atomkraft? Nein danke"-Bewegung war die Studie aber primär eine Kampfschrift gegen die Atomkraft. Kritisiert wurde "die nukleare Sackgasse", 20 Milliarden DM an Steuergeldern wurden investiert und decken "gerade 10% des Stromverbrauches und nur 2% unseres Endenergieverbrauchs". Das hat sich jedoch in den folgenden Jahrzehnten deutlich geändert. Im Jahr 2000 lag der Anteil der Atomenergie an der gesamten Stromproduktion des Landes bei 30 Prozent, ist bis 2004 sogar auf 32 Prozent gestiegen und danach bis 2020 auf 12,5 Prozent gefallen. Im "Corona-Jahr" 2020 hatte Deutschland mit 488 TWh den geringsten Stromverbrauch dieses Jahrhunderts, doch der Rückgang zeichnete sich schon in den vergangen Jahren ab.

2015 - 647 TWh

2016 - 648 TWh

2017 - 654 TWh

2018 - 541 TWh

2019 - 513 TWh (Quellen: Fraunhofer ISE und strom-report.de)

Kohleausstieg betrifft Kraftwerke und Reviere

Auf den Atomausstieg folgt der Kohleausstieg. So muss Deutschland nun umgehend 61 TWh Atomstrom und nach den neuesten ambitionierten Zielen in den nächsten fünfzehn Jahren 36 TWh aus Steinkohle und 82 TWh aus Braunkohle kompensieren. Nicht nur das! Das Ende fossiler Energieträger ist die eine Seite der Energiewende, die zweite Seite der Medaille ist der Umstieg ganzer Branchen auf Strom - Stichwort E-Mobilität - womit mittelfristig der Strombedarf wieder massiv steigen wird.

Die Studie "Klimaneutrales Deutschland" zeigt auf, in welchen Bereichen die größten Zuwächse zu erwarten sind : "Die steigende Elektrifizierung und die Produktion von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff sind die Haupttreiber für den Anstieg des Stromverbrauchs bis 2050 auf etwa 960 TWh. Von dem Anstieg entfallen etwa 160 TWh auf den Verkehr, 130 TWh auf die Wasserstoffherstellung und etwa 70 TWh auf die Industrie. Leicht rückläufig entwickelt sich der Stromverbrauch im Gebäudesektor." Allerdings wird mit einer massiven Zunahme von Wärmepumpen gerechnet, doch Effizienzverbesserungen bei Elektrogeräten und Beleuchtung sollen diesen Anstieg wettmachen.

strom-report.de liefert mit Daten des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) jedes Jahr einen anschaulichen Überblick über den Strommix in Deutschland. Mit 50,5 Prozent liegen die Erneuerbaren im Jahr 2020 erstmals an der Spitze, der Biomasse-Anteil liegt bei 9,3 Prozent.

DE Stromerzeugung

Um eine Vorstellung zu bekommen, von welchen Energiemengen die Rede ist, hier ein Beispiel: Neurath in Grevenbroich, eines der größten Braunkohlekraftwerke des Landes, schafft mit drei Blöcken 4,2 GW, oder 0,0042 TW. Im Dreischichtbetrieb fördert der Tagebau Garzweiler jährlich 35 Millionen Tonnen Braunkohle per Förderband und Werksbahn direkt zum Kraftwerk Neurath sowie zum fast ebenso großen Braunkohlekraftwerk Niederaußem. Bis 2038 wird Deutschland insgesamt noch 30 Braunkohlekraftwerke und 42 Steinkohlekraftwerke stilllegen, nachdem in den vergangen fünf Jahren bis Jahresende 2021 bereits 20 Kohlekraftwerke geschlossen wurden.

Mit den Maßnahmen im Energiesektor in Folge der Schließung der deutschen Kohlereviere beschäftigt sich der Abschlussbericht der Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", die 2018 einberufen wurde, "um einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Gestaltung des energie- und klimapolitisch begründeten Strukturwandels in Deutschland herzustellen". Im Gegensatz zu dem für ein Tagebau Revier typischen Raubbau, der in den vergangen 100 Jahren auf Umwelt und Bewohner wenig Rücksicht genommen hat, liest sich dieser Bericht stellenweise wie das Brevier Philipps des Guten.

"Die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung ist eine historische Aufgabe. Seit Jahrzehnten ist die Kohle wesentlicher Bestandteil der sicheren Energieversorgung in Deutschland. [...] Die für einen erfolgreichen Klimaschutz notwendige Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung kann nur dann erfolgreich und mit Vorbildfunktion gelingen, wenn eine Reihe von Anforderungen in Einklang gebracht werden. Dazu zählen der Erhalt und die Schaffung neuer guter, tarifvertraglich abgesicherter Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen, [...] Deutschland braucht einen gesellschaftlich breit verankerten Konsens, der einen sozial ausgewogenen und gerecht gestalteten Übergang in ein neues Energiesystem ebnet und für die kommenden Dekaden sicherstellt." Amen sagen dazu nicht alle Betroffenen.

Zwar hat der zuständige Aachener Bischof Helmut Dieser seinen Sanktus gegeben, doch nun legt er sich gegen die "Entwidmung" der Dorfkirche von Keyenberg quer. Nachdem die Baggerschaufeln des Tagebaus Garzweiler in den vergangenen fünfzehn Jahren schon sechs Dörfer abgegraben haben, soll vor der Heilig-Kreuz-Kirche in Keyenberg Schluss sein. Auch wenn es Verträge mit RWE gibt, so sollen diese aufgrund einer neuen Leitentscheidung der Landesregierung von NRW überprüft werden. Die Backsteinkirche im neugotischen Stil wurde 1913 fertiggestellt und in den vergangenen Jahren zum Symbol des Widerstandes der wenigen Dorfbewohner, die sich gegen eine Absiedlung wehren.


Ein Teil der Energie-Wende besteht darin, die Energie-Effizienz zu erhöhen. Hier spielen Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK) eine wichtige Rolle. So erzeugten KWK-Anlagen laut Angaben des Umweltbundesamtes im Jahr 2019 insgesamt 113 TWh Strom (davon 32 TWh aus Biomasse) und zusätzlich versorgten sie über Fernwärme hunderttausende Wohnungen mit Wärmeenergie von 224 TWh (davon 53 TWh aus Biomasse).

Laut amtlicher Definition beinhaltet Biomasse "die gesamte organische Substanz, die durch Pflanzen und Tiere anfällt oder erzeugt wird. Wenn es um den Einsatz von Biomasse zur Energieerzeugung geht, unterscheidet man zwischen nachwachsenden Rohstoffen (Energiepflanzen wie Raps, Mais oder Getreide) sowie organischen Reststoffen und Abfällen. Biomasse liefert Energie etwa in Form von Wärme (überwiegend Holz, einschließlich Holzpellets), Strom (zum Beispiel Biogas) oder Kraftstoff (zum Beispiel Biodiesel)".

Holzverbrennung ein Skandal?

denkhausbremen-Kampagne gegen Holzverbrennung: Obwohl Holzpellets in der Energie- Erzeugung Deutschlands nur eine marginale Rolle spielen, fährt das denkhausbremen eine scharfe Kampagne gegen diesen Energieträger. Nicht nur in Großbritannien, sondern "auch in Ländern wie Dänemark, Belgien oder den Niederlanden sprießen Holzbiomasse-Kraftwerke wie Pilze aus dem Boden" heißt es in der Broschüre "Kahlschlag für das Klima. Warum das Verbrennen von Holz in Kraftwerken kein Beitrag zum Klimaschutz ist", die mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfahlen produziert wurde. Die englische Fassung wurde mit Unterstützung des WWF unter dem Titel "Misguided Strategy. Burning Wood to Mitigate Climate Change" publiziert.

Ohne weitere Angaben über die Höhe der Zuwendungen nennt denkhausbremen folgende "Förderer": Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr der Hansestadt Bremen, die Bevollmächtigte der Hansestadt Bremen beim Bund, für Europa und Entwicklungszusammenarbeit, das Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Umweltbundesamt, sowie die JMG Foundation und Robert Bosch Stiftung.

Die Organisation ist Mitglied der internationalen Forest Defenders Alliance und Platform Forest Climat, und engagiert sich laut eigener Angaben "für globale Umweltgerechtigkeit". Konkret wird in der zitierten Broschüre behauptet: "Jetzt haben die Energiekonzerne die Motorsäge ausgepackt und den Wald als Energiequelle ins Visier genommen. [...] Ebenfalls dabei sind deutsche Stromriesen. Sie mischen kräftig in diesem Geschäft mit, das mit öffentlichen Mittel geschmiert wird." Demnach plant RWE, "seine Kohlekraftwerke in den Niederlanden auf Holzfeuerung umzustellen. Mehrere Millionen Tonnen Holzpellets werden dafür aus den USA importiert."

Bislang werden Holzpellets in Deutschland – mit Ausnahme von wenigen für Wärmenetze genutzten KWK-Anlagen – nur zur Wärmeerzeugung in Gebäuden oder zur gewerblichen Prozesswärmegewinnung wie z.B. in der Nahrungsmittelindustrie eingesetzt: Die nackten Zahlen sind zu finden auf statista.com unter "Bestand zentraler Wärmeerzeuger für Heizungen in Deutschland nach Kategorie im Jahr 2019" (in Millionen Stück):

Gaskessel 7 + Gas-Brennwertkessel 6,8 + Ölkessel 4,8 + Wärmepumpen 1 + Biomassekessel 0,9 + Ölbrennwertkessel 0,7 = Summe 21,2 Millionen

Siehe auch: Aktualisierte Zahlen für 2021

UPDATES 23. 4.2023:  "Das Bundeskabinett verabschiedete am 19. April den Entwurf eines Gebäudeenergiegesetzes. Die Bundesregierung setzt damit ihre Verbotspolitik fort. Nach dem Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen ab 2024 ist künftig der nächste natürliche Brennstoff an der Reihe. So sollen Biomasseheizungen in Neubauten, also auf Basis von Holz in Form von Pellets, Hackschnitzeln und Scheitholz verboten werden. Der Zweck ist die Erfüllung des 65-Prozent-Zieles von erneuerbaren Energien im Heizungsbereich. Obwohl die Bioenergie heute bereits rund 84 Prozent der erneuerbaren Wärme bereitstellt und damit die Vorgabe erfüllt, hält das Kabinett an der Entscheidung fest,"berichtet Epoch Times. Die Universallösung für alle Wärmeprobleme ist laut Habeck die Wärmepumpe. Doch diese könnte bald von der EU verboten werden, weil sie umweltschädliche Kältemittel enthalten. "EU-Verbot könnte Wärmepumpen aushebeln", berichtet tz.de am 25.4.23 "Der CDU-nahe Wirtschaftsrat lehnt den aktuellen Ampel-Gesetzentwurf zum Umstieg auf Wärmepumpen ab: Habecks Pläne würden die Menschen in die Altersarmut treiben.... Weg von den Großstädten würden die Menschen oft Wohnbauten besitzen, die mehr als 100 Jahre alt seien. In Ostdeutschland, so warnt der Generalsekretär des Wirtschaftsrates weiter, liege der Anteil solcher Bauten bei mehr als der Hälfte. Derart alte Häuser seien 'mit vertretbarem Aufwand kaum energetisch so herzurichten, dass sie mit einer Wärmepumpe beheizt werden können', meinte Wirtschaftsrat-Generalsekretär Wolfgang Steiger" berichtet Epoh Times am 28.4.23


Pellets-Prognose 2030

Biomassekessel umfassen Stückholzvergaserkessel, Hackschnitzel- und Pellets-Heizungen. Der Deutsche Energieholz- & Pellet-Verband (DEPV) erfasste einen Zuwachs von Pellets-Heizungen zwischen 2015 und 2020 von 390.500 auf 525.000. Im Jahr 2020 wurden bundesweit 3,1 Millionen Tonnen Pellets erzeugt und 2,33 Millionen Tonne verbraucht. Die Produktionskapzitäten lagen jedoch bei 3,4 Millionen Tonnen und wurden damit bei weitem nicht ausgeschöpft. Zu finden sind Pelletsheizungen - ein Drittel davon sind Wohnzimmer-Öfen - bislang vorwiegend in den waldreichen Bundesländern Bayern, Baden Württemberg und in Nordrhein-Westfalen.

DEPV rechnet mit einem Wachstum auf 1,2 Millionen Pelletsfeuerungen bis 2030 und einem Ausbau der bundesweiten Produktionskapazitäten auf fünf Millionen Tonnen. Treibende Kraft ist ein weitgehendes Verbot der Öl-Heizungen. Zwar tritt erst 2026 ein Verbot von Neuinstallationen in Kraft, aber schon jetzt haben viele Ölheizungen ihr Ablaufdatum erreicht. Weiterhin sind Umrüstungen auf Hypridsysteme wie Öl-Brennwertkessel mit Solarthermie erlaubt, aber der Umstieg auf Pellets bringt die höchsten CO2-Einsparungen; laut Deutscher Energieagentur (Dena) 89 Prozent. Die vielfach favorisierte Wärmepumpe kommt auf dieser Berechnungsbasis (freistehendes Wohnhaus, 140 m2 mit Öl-Brennwertheizung Baujahr 1998) nur auf 58 Prozent CO2-Einsparung. Auch finanziell ist der Umstieg interessant, denn beim Austausch einer Ölheizung werden bis zu 45 Prozent der entstehenden Investitionskosten staatlich gefördert.

Das Wachstumspotenzial an Pelletheizungen könnte laut DEPV-Geschäftsführer Diplom-Forstwirt Martin Bentele vollständig durch die Inlandsproduktion gedeckt werden. Derzeit sind 56 ENplus-zertifizierte Pelletwerke in Betrieb, sieben sind in Planung. Trotz optimistischer Einschätzungen von DEPV und Dena scheinen Holzbiomasse und Pellets keine große Rolle bei jenen Institution zu spielen, welche die Energie und Wärmewende in Deutschland vorantreiben. Dafür sorgen nicht nur ausgewiesene Gegner wie denkfabrikbremen und Robin Wood, auch einflussreiche Think Tanks und sogar das Umweltbundesamt wollen die langfristige Verwendung von Holzbiomasse und Pellets eher verhindern als fördern. Ein größeres Projekt hat Robin Wood zumindest vorläufig zu Fall gebracht.

Biomasse als Zielscheibe von Robin Wood

Das Fernwärmekraftwerk Hamburg, das derzeit mit Kohle betrieben wird, hat ein Angebot geprüft, das von Namibia an die Stadt herangetragen wurde. Der Grund für das Angebot liegt in der Verbuschung der Savannen des südwestafrikanischen Staates. So wie Heideland müssen auch Grassavannen gepflegt werden, damit sie nicht von Gestrüpp überwuchert werden. Ansonsten wird das bestehende Ökosystem zerstört. Das ist in den vergangenen 25 Jahren in Namibia passiert, womit auch die angestammte Viehwirtschaft immer größere Probleme bekommt. Deshalb hat die Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila, die ihren Abschluss in Volkswirtschaft an der Lincoln University (Pennsylvania) gemacht hat, nach internationalen Partnern gesucht, um das Buschholz wirtschaftlich zu nutzen.

Robin Wood hat diese Fakten um 180 Grad verdreht und der Stadt Hamburg vorgeworfen, dass "mal wieder Ressourcen des globalen Südens ausgebeutet werden, um den unersättlichen Rohstoffhunger reicher Industrieländer im Norden zu stillen". Die "Zeit" hat am 29. April 2021 über diesen Fall berichtet. Nur wenige Wochen später erklärte Hamburgs Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Die Prüfung der Zusammenarbeit wurde auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, da deutlich wurde, dass einerseits Wärme Hamburg GmbH aktuell und in den nächsten 2-3 Jahren technisch nicht in der Lage ist, größere Mengen Buschbiomasse zu verfeuern und andererseits einige der aufgekommenen Fragen aus dem sozio-ökonomischen Bereich nur mit Unterstützung durch Bundesministerien zu beantworten sind."

Kein Grund für die NGOs zufrieden zu sein. Im Februar haben 40 NGOs einen Brief an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, geschickt. Demnach "liegen starke Indizien dafür vor, dass das Projekt zu ökologischen Schäden beitragen könnte. [...] Zudem ist vor Ort mit negativen Arbeitsmarkteffekten und einer Vertiefung sozialer Missstände zu rechnen – ein klassischer Fall sozial-ökologischer Verwerfungen. [...] Buschholz soll in umgerüsteten Kohlekraftwerken, etwa am Hamburger Standort Tiefstack, als Brennstoff genutzt werden und würde dabei durch einen legalen Bilanzierungstrick als CO2-neutral deklariert."

Konkret werden der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die das Projekt in Namibia unterstützt, kolonialistische Machenschaften unterstellt, und der Stadt Hamburg Bilanzierungstricks. Das mag dem moralischen Eifer der NGOs zugute gehalten werden. Wie aber in Namibia negative Arbeitsmarkteffekte entstehen sollen, wenn Deutschland dort in ein ökologisches Projekt investiert, bedarf einer genaueren Erklärung - die aber von den Autoren dieses Briefes nicht geliefert wird. Statt dessen findet sich am Ende des Briefes ein Ultimatum an den Minister "bis zum 04.03.2021, damit wir Ihre Perspektive in unserer weiteren Arbeit berücksichtigen können."

Neben den immer beliebter werdenden offenen Briefen an Politiker aller Ministerien, nimmt die Anzahl an Thesen-Papieren, die als "Studie", "Gutachten" oder "Analyse" online gehen, ständig zu. Sie kommen oft direkt aus den Ministerien oder ihren Vorfeld-Organisationen, oder von NGOs, die teils öffentlich, teils privat finanziert werden. Hier eine Auswahl von Zitaten aus Papieren zum Klimawandel und zur Energiewende, welche auf die Zukunftschancen der Biomasse, konkret der Holzbiomasse, eingehen.


Aktuelle Studien zu Klimawandel und Energiewende

Die Verbraucherzentrale Energieberatung, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird, beurteilt Pelletheizungen durchaus positiv: "Für Besitzer von Einfamilienhäusern ist das Heizen mit Holzpellets interessant, weil sie ihre Wärmeenergie aus Holz gewinnen, einem der kostengünstigsten Brennstoffe pro kWh. Die aus gepressten Säge- und Hobelspänen hergestellten Pellets enthalten keine chemischen Bindemittel und haben eine hohe Energiedichte. [...] Besonders gute Pelletöfen zeichnen sich durch einen guten Wirkungsgrad und einen geringen Ausstoß an Stickstoffoxiden, Kohlenmonoxid und Staub aus." Die Emissionen sind in der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen gesetzlich vorgegeben und werden alle zwei Jahre vom Schornsteinfeger geprüft. Als Voraussetzung für die Bewilligung von Förderungen sind die technischen Anforderungen noch einmal verschärft worden. Trotzdem behauptet die Verbraucherzentrale undifferenziert: "Laut Umweltbundesamt (UBA) produzieren Holzöfen in Deutschland mittlerweile mehr Feinstaub als alle LKW und PKW zusammen."

Tatsächlich findet sich in dem aktuellen Artikel "Kleinfeuerungsanlagen" des UBA vom Februar 2021 diese Behauptung wieder: "Die Emissionen an gesundheitsschädlichem Feinstaub aus Holzfeuerungsanlagen in Haushalten und im Kleingewerbe sind in Deutschland bereits heute insgesamt höher als die aus den Motoren von Pkws und Lkws." Diese Aussage widerspricht nicht nur allen Angaben über die wachsende Zahl der emissionsarmen Kamin- und Pelletöfen sowie Pellet- und Hackschnitzelkessel, die im selben Bericht zu finden sind, sondern ignoriert weiterhin die Klarstellung des DEPV aus dem Jahr 2017, wonach die UBA-Berechnungen bis ins Jahr 2016 auf veralteten Zahlen basieren.

Bis Ende 2016 erstellte das UBA Bilanzen, "die die Emissionen des Anlagenbestands des Jahres 2005 abbildeten. Die Effekte sauberer Neuanlagen und der Stilllegung alter Anlagen wurden nicht berücksichtigt. Steigende Anlagenzahlen bzw. ein steigender Holzverbrauch führten so zu einer Erhöhung der berechneten Emissionen. Auch die Emissionen jeder Neuinstallation werden in mit den Programmen der gängigen Energieberatersoftware bis heute auf Basis dieser veralteten Emissionsfaktoren bewertet. Mit anderen Worten: Die Effekte der Novelle der 1. Bundesimmissionsschutzverordnung, die 2010 und 2015 die Staubgrenzwerte für Festbrennstofffeuerungen in zwei Stufen erheblich verschärft haben, wurden in der Emissionsberichterstattung des UBA, in der Energieberatung und damit auch in der öffentlichen Debatte bisher überhaupt nicht berücksichtigt. Holzfeuerungsanlagen wurden daher letztlich auf Basis von fiktiven Emissionen bewertet, die entstanden wären bzw. entstünden, wenn es die Novelle 2010 nicht gegeben hätte."

Umweltbundesamt rechnet mit veralteten Angaben

Das Umweltbundesamt (UBA), seit 1974 Deutschlands zentrale Umweltbehörde, hat im März 2021 einen Hintergrundbericht über "Umweltschutz, Wald und nachhaltige Holznutzung in Deutschland" publiziert. Unter der Überschrift "Klimaschutz und Kaskadennutzung" (Mehrfachnutzung eines Rohstoffes über mehrere Stufen) heißt es: "Holz, Holzpellets, Holzhackschnitzel oder Altholz sind attraktive alternative Brennstoffe geworden. Die energetische Nutzung von Holz gilt als 'CO2-neutral', da vereinfacht angenommen wird, dass die gleiche Menge Kohlenstoff bei der Verbrennung freigesetzt wird, die zuvor während des Wachstums in der Holzbiomasse gebunden wurde. Diese Betrachtung greift häufig aber zu kurz. Für eine vollständige Betrachtung müssen z. B. auch Emissionen berücksichtigt werden, die bei Holzernte, Transport und Herstellung der Holzbrennstoffe (z. B. Hackschnitzel oder Pellets) entstehen. Auch sollte bei der energetischen Nutzung von Frischholz der nicht mehr zur Verfügung stehende Kohlenstoffspeicher im Wald in die Betrachtung mit einbezogen werden."

Ähnliche Aussagen finden sich in Studien des Joint Research Center (JCR) und European Academies’ Science Advisory Council (EASAC), die im nächsten Kapitel detaillierter vorgestellt werden. Im Kapitel "Waldwirtschaft als Pfeiler einer integrierten nachhaltigen Biomassestrategie", wird vor wachsender Holznachfrage gewarnt: "Die von der Bundesregierung in verschiedenen Strategien und Aktionsplänen vorgegebenen Ziele zur steigenden stofflichen und der klimapolitisch bedingten verstärkten energetischen Nutzung von Holz (z. B. Waldstrategie 2020, Charta für Holz 2.0, Klimaschutzprogramm 2030) können dazu führen, dass die Nachfrage nach Holz in Deutschland weiter wächst und eventuell langfristig das Dargebot übersteigt." Es wird gefordert, "nachhaltige Waldwirtschaft im Sinne der Helsinki-Deklaration zu betreiben. Leider wird das Konzept Nachhaltigkeit jedoch teilweise noch immer auf die Produktionsfunktion des Waldes reduziert, indem schlicht nicht mehr Holz geschlagen werden soll, als nachwächst. Dieses eindimensionale Verständnis deckt jedoch nur einen Teilaspekt nachhaltiger Forstwirtschaft ab. Bereits innerhalb des Aspekts der Erntemengen muss die Nährstoffbilanz beachtet werden." Anders gesagt: Die Grenzen der Holzproduktion sind mit den Grenzen der für den Wald notwendigen Nährstoffnachlieferungen erreicht.

Die Charta für Holz der FNR führt das Logo des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. FNR, die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, ist ein Projektträger des Ministeriums. Als Zielsetzungen dieser Plattform werden angegeben: "Den Klimaschutzbeitrag der Forst- und Holzwirtschaft durch nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holzverwendung stärken. Die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit des Clusters Forst & Holz erhalten und stärken. Durch nachhaltige und effiziente Nutzung von Wäldern und Holz endliche Ressourcen schonen." Zum Begriff  "Biomasse" wurde auf charta-fuer-holz.de "ein Ergebnis in zwei Millisekunden gefunden" zum Begriff "Pellets" kein einziges Ergebnis. Auch kein Ergebnis ist ein Ergebnis - vielleicht sogar eine präzisere Aussage als ein oberflächliches Bekenntnis zur nachhaltigen Biomassenutzung.

7,8 Millionen Euro Budget für Agora EnergiewendeGleich vier Ministerien finden sich unter den Financiers von Agora Energiewende: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (894.000 Euro), Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (921.000 Euro), Bundesministerium für Bildung und Forschung (48.000 Euro). Die größten Sponsoren sind jedoch die Stiftung Mercator mit 1,5 Millionen Euro. Die Stiftung wurde von der Familie Schmidt gegründet, die zu den Hauptanteilseignern der Schweizer Metro Group zählt. Und nicht zuletzt sind die European Climate Foundation (1,55 Millionen Euro) und das Aspen Global Change Institute (AGCI) mit 1,2 Millionen Euro dabei. Die Angaben betreffen das Jahr 2020, in dem die Organisation über ein Budget von insgesamt 7,8 Millionen Euro verfügen konnte.

Agora war der Fest- und Versammlungsplatz der Polis im antiken Griechenland, aber auch der Ort für Gerichtsversammlungen. Die Vertreter der Agora Energiewende haben nicht die geringste Absicht, Volksfeste für autofreie Sonntage und Dachgleichen von Passivhäusern zu organisieren oder Erntedankfeste zu feiern. Vielmehr gehen sie mit der Politik hart ins Gericht, das erfordert ihr selbst gestellter Anspruch: "Als Thinktank und Politiklabor teilen wir Wissen mit Akteurinnen und Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft und streben gleichzeitig einen produktiven Austausch von Ideen an. Unsere wissenschaftlich fundierte Forschung zeigt praktische politische Lösungen auf und verzichtet dabei auf ideologische Festlegungen. Als gemeinnütziges Unternehmen, das sich durch Zuwendungen von Stiftungen und öffentlichen Einrichtungen finanziert, sind wir weder unternehmerischen noch politischen Interessen verpflichtet, sondern ausschließlich dem Klimaschutz."

ERGÄNZUNG 4. Mai 2023: + + + Epoch Times berichtet über das "internationale Geklüngel: US-Investor finanziert die Energiewende der Grünen". Demnach war der Staatssekretär des Grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck zuvor bei AGORA tätig, die u.a. vom US-Klima-Lobbyisten Hal Harvey finanziert wird. Allein "2022 spendeten Harveys Organisationen, European Climate Foundation und Climate Imperative Foundation, Graichens ehemaligen Arbeitgeber Agora 7,5 Millionen Euro". Harveys Stiftungsmanager Bin Berlin hatte der "Zeit" die Striftungsstrategie erläutert: Studien zu erstellen, Politik machen und dann die Mitarbeiter "am besten im Ministerium platzieren". FDP-Vize Kubicki fordert Rücktritt von Patrick Graichen. + + +

Die Agora-Studie "Klimaneutrales Deutschland" wurde in diesem Kapitel bereits zitiert. Das Agora-Gutachten "Agenda Wärmewende 2021" wird in Bezug auf Biomasse etwas genauer: "Kern des Gutachtens ist die Ausarbeitung eines Bündels an politischen Instrumenten, das darauf abzielt, die Klimaschutzziele des Gebäudesektors zu erreichen. [...] Der Gebäudesektor trägt derzeit rund 16% der Treibhausgasemissionen Deutschlands bei. In den letzten Jahren gingen die Emissionen des Sektors nur leicht zurück. Gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz müssen die Sektoremissionen von heute rund 120 Mio. t bis zum Jahr 2030 auf 70 Mio t. CO2-Äquivalente sinken."

Zur klimawirksamen Verwendung der Biomasse wird ein Instrumentenbündel gefordert, "das durch Neujustierung des Rechts- und Förderrahmens an verschiedenen Stellen für Biomasse quantitativ begrenzend und qualitativ die Nachhaltigkeit sichernd wirkt. Sie orientiert sich an folgenden Leitprinzipien:

• In dezentralen Gebäude-Heizungen soll Biomasse vor allem dort genutzt werden, wo andere erneuerbare Heiz-Optionen nicht zu verhältnismäßigen Kosten zur Verfügung stehen – insbesondere also ältere Gebäude im ländlichen Raum mit hohem Energiebedarf und hohen Sanierungskosten.

• Biomasse dient sowohl dezentral wie auch in der Fernwärme vor allem zur Abdeckung von Spitzenlasten, die nicht effizient durch Wärmepumpen und andere erneuerbare Wärmetechnologien abgedeckt werden können. Hieraus ergibt sich, dass Biomasse langfristig möglichst selten in monovalenten Systemen genutzt werden sollte."

Daraus folgt: "Der Absatz an Biomasseheizungen (v. a. Holzpellets, -hackschnitzel, Scheitholz) bleibt weitgehend konstant. Biomasse wird dabei gezielt in die Segmente gelenkt, in denen eine Sanierung nicht möglich ist (z. B. aufgrund baulicher Restriktionen oder aus Gründen des Denkmal-/Ensembleschutzes), die sich deswegen nicht für eine Wärmepumpe eignen und die über keine Anschlussmöglichkeit an ein Wärmenetz verfügen."

Schließlich argumentiert das Gutachten, dass Biomasse für Industrie, Stromerzeugung und im Verkehr wichtiger seien als für den Wärmesektor, der auch auf andere Mittel zurückgreifen könne. Dafür seien neue Förderrichtlinien erforderlich. Am Beispiel Dänemarks zeige sich, dass ohne Steuerungsinstrumente "Kohle-Heiz(kraft)werke auf Biomasse-Verbrennung umgerüstet und zusätzliche Biomasse-Heizwerke gebaut werden."

Ganz ähnlich argumentiert das Umweltbundesamt im Abschlussbericht über die "Systemische Herausforderung der Wärmewende" vom April 2021: "Das Potenzial heimischer Biomasse ist begrenzt. Werden die Effizienzbeiträge des Referenzzielpfades verfehlt, können diese anteilig durch den Mehreinsatz von Biomasse kompensiert werden. Der Einsatz von Biomasse im Gebäudesektor steht in Konkurrenz mit der Biomassenachfrage aus den anderen Sektoren, insbesondere dem Umwandlungssektor und der Industrie. Gleichzeitig besteht ein Wettbewerb mit der stofflichen Nutzung. Je mehr Biomasse in den Gebäudesektor geht (und dort zur Erzeugung von Niedertemperaturwärme verwendet wird), desto kleiner sind die Anteile, die den anderen Sektoren zur Verfügung stehen (und dort aufgrund des hohen Exergiepotenzials [sic!] wirksamer eingesetzt werden können). Ein Überschreiten des nationalen Potenzials holzartiger Biomassen würde zudem dazu führen, dass Holz importiert werden müsste, mit entsprechenden Folgen aus dem Transportaufwand sowie möglicherweise verbunden mit Nachhaltigkeitsrisiken, die sich im Ausland mit einem erhöhten Nachfragedruck aus Deutschland verbinden würden."


"Klimaschutz mit Wald"

"Biologie in unserer Zeit - BiuZ", die Mitgliederzeitschrift des Verbandes Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland (VBiO) veröffentlicht in der Ausgabe 1/2021 den Artikel "Klimaschutz mit Wald" von Ernst-Detlef Schulze und sieben weiteren Wissenschaftern, die den Wald nicht nur aus Sicht von Klimaschutz und Artenvielfalt betrachtet, sondern auch die Gemeinnützigkeit von Eigentum, die Rechte der Eigentümer sowie die Nachhaltigkeit der Nutzung" in der Untersuchung berücksichtigen.

Zunächst wird klargestellt, dass derzeit vier verschiedene Monitoring- Systeme zur Messung von Treibhausgasen und dem entsprechend unterschiedliche Anrechnungen existieren. Nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls Ende 2020 sind neue Regeln zur Anrechnung der Treibhausgase in Ausarbeitung. "In Zukunft werden für Deutschland Zahlen zum Komplex Wald aus vier verschiedenen Systemen vorliegen: Klimarahmenkonvention KRK, Kyoto Protokoll KP, Übereinkommen von Paris ÜvP und die Land Use, Land-Use Change and Forestry-Verordnung der EU LULUCF. Diese sind aufgrund der Systemunterschiede nicht unmittelbar vergleichbar. Es gibt eine Pflicht zur permanenten Verbesserung der Inventare, d. h. mit besseren Methoden oder neuen Datenquellen müssen auch die Werte der zurückliegenden Jahre neu berechnet werden. Es sind daher nur die jüngsten Berichte gültig."

Das Wachstum des Waldes wird gemäß der zweiten und dritten Bundeswaldinventur (2002 bzw. 2012) angegeben. In dieser Periode betrug der Holzzuwachs 1.252 Mio. m³ und die Abgänge (Nutzungen und Mortalität) 1.091 Mio. m³, so dass der Holzvorrat von 3.436 Mio.m³ auf 3.663Mio. m³ anstieg. Zwischen 2012 und 2017 erhöhte sich dieser Holzvorrat noch einmal um 205 Mio. m³ auf 3.868 Mio. m³. Der Forstwirt Martin Bentele schätzt den Bestand heute auf vier Milliarden m³ und verweist darauf, dass viele Wälder gar nicht bewirtschaftet werden: "Tausende Waldbesitzer haben lediglich ein bis zwei Hektar, da lohnt sich eine Bewirtschaftung nicht. So fallen große Flächen aus der Nutzung heraus. Nur in Bayern gelingt es bislang, kleine Flächen zu bündeln und genossenschaftlich zu bewirtschaften."

"Nachhaltigkeit" ist seit zwei Jahrzehnten in allen Branchen ein Modewort, doch für die Waldwirtschaft hat diesen Begriff bereits der kurfürstlich-sächsische Bergrat sowie Oberberghauptmann des Erzgebirges, Hans Carl von Carlowitz, im Jahr 1713 geprägt. So schreibt er in "Sylvicultura oeconomica": „Wird derhalb die größte Kunst, Wissenschaft Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darin beruhen, wie eine sothane Conversation und Anbau des Holzes anzustellen, dass es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe, weil es eine unentbehrliche Sache ist, ohnwelche das Land in seinem Esse [lat.=Wesen] nicht bleiben mag.“

Ernst-Detlef Schulze kommentiert: "Das Ziel von Carlowitz war es, sogenanntes Grubenholz für den Bergbau zu liefern, das die Schachtanlagen des Herzogs von Sachsen sicherte. Carlowitz sagt nichts zu den anzustrebenden Bestandesvorräten, es wurde nur festgelegt, dass die Nutzung nicht den Zuwachs auf Betriebsebene übersteigt. Damit werden die Holzvorräte auf Betriebsebene konstant gehalten. Es geht nicht um das Leben eines einzelnen Baumes, sondern um Waldbestände auf Landschaftsebene. Die Höhe des angestrebten Vorrates wird betrieblich festgelegt."

Bis heute gilt demnach: "Ein signifikanter Unterschied zwischen Wirtschaftswald und nicht bewirtschaftetem Wald besteht im Zuwachs. Der Wirtschaftswald hat höhere Zuwächse, die gleichbedeutend mit einem höheren Beitrag zum Klimaschutz sind. Ein Nutzungsverzicht führt zu wirtschaftlichen Verlagerungsprozessen, wobei der Holzbedarf durch Importe aus anderen Regionen der Welt gedeckt wird, deren Nachhaltigkeits-Standards oft geringer sind, oder das Holz durch andere Materialien ersetzt wird, die in ihrer Herstellung emissionsintensiver sind."

Neben systematischer Aufforstung geschlägerter Waldflächen hat die Bewirtschaftung des Waldes einen weiteren positiven Klima-Effekt, und zwar durch den Ersatz von Bau- und Werkstoffen, die bei der Herstellung deutlich größeren CO2-Abdruck hinterlassen. "Nach derzeitigen internationalen Abkommen wird zurzeit nur der Produktspeicher als Beitrag des Forst- und Holzsektors zum Klimaschutz angerechnet. Die Produktsubstitution wird als Abnahme im Verbrauch fossiler Brennstoffe registriert, aber nicht als solche ausgewiesen, oder gar zugunsten der Forst- und Holzwirtschaft angerechnet", so die Autoren des Artikels.

Ein Blick auf die Seite des Deutschen Holzwirtschaftsrats (DHWR) vermittelt einen Überblick über die Vielfalt der Unternehmen, die mit dem Rohstoff Holz zum Klimaschutz beitragen. DHWR, die Dachorganisation der deutschen Holzwirtschaft, vertritt 70.000 Betriebe mit rund 650.000 Beschäftigten, die einen Gesamtumsatz von 120 Milliarden Euro generieren. Zunächst landen die Baumstämme in einem von 2.000 Sägewerken - dem Bindeglied zwischen Forst- und Holzwirtschaft. In der Verwertungskette folgen: Papier- und Zellstoffproduzenten, die Holzwerkstoffindustrie (Spanplatten, Massivplatten und Sperrholz), Furnierwerke, Parketthersteller (die Nachfrage nach Parkett ist in den vergangenen 30 Jahren um 75 Prozent gestiegen), Paletten- und Packmittelhersteller, Holzhandel, Fertigbau, Zimmerer und Holzbaugewerbe (60.000 Beschäftigte), Möbelindustrie und -fertigung (100.000 Mitarbeiter), Tischler und Schreiner (42.000 Betriebe mit 185.000 Mitarbeitern), und nicht zuletzt die Energiegewinnung. "Seit 2004 sind im Bereich der Energiegewinnung aus Biomasse rund 250.000 Arbeitsplätze neu entstanden, bei einem jährlichen Umsatz von rund 10 Milliarden Euro."

Martin Bentele hat darauf hingewiesen, dass die Grenze der Wald-Bewirtschaftung die Wirtschaftlichkeit ist, sodass viele Kleinflächen sich selbst überlassen bleiben. Der Forstwirt erklärt aber auch, dass die Grenzen der Bewirtschaftung auch Grenzen für die Artenvielfalt darstellen: "Höchste Biodiversität findet man in bewirtschafteten Wäldern. Ohne Bewirtschaftung würden bei uns 70 Prozent gleichförmige Buchenbestände wachsen, und die Eiche würde beispielsweise auf ganz wenige Flächen zurückgedrängt. Eine hohe Vielfalt braucht Eingriffe eines kompetenten Forstmannes. Naturschutz bedeutet für den Fachmann auch, den Wald an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen - das ist eine hochwertige Form des Naturschutzes. Nicht zuletzt bindet ein Jungwald viel mehr CO2 als ein nicht genutzter Wald."

Rückblick und Ausblick

Rückblickend nochmals die Vorgaben aus "Klimaneutrales Deutschland" - aus Sicht der Agora Energiewende nicht eine von vielen Vision, sondern konkrete, alternativlose Zieldefinition: Im Jahr 2050 braucht Deutschland 960 TWh Strom, in Relation zu den 488 TWh von 2020 erfordert das eine Verdoppelung der Produktionskapazitäten in den kommenden 30 Jahren bei gleichzeitiger Reduktion der Hälfte (242 TWh) der bislang erzeugten Energieproduktion, nachdem 100 Prozent des Atom-, Erdgas-, Kohle-Stroms vom Netz genommen wurden. Die Differenz beträgt somit 716 TWh.

Muss gehen, meinen die Autoren der Studie, die auf diesen Fehlbetrag nicht eingehen und sich auch nicht mit nebensächlichen Fragen beschäftigen. Beispielsweise: wie soll das gehen? Vielleicht findet sich im Brevier von Philipp dem Guten dafür eine Gebetsformel - eine volkswirtschaftliche Formel, wie dieses Ziel erreicht werden kann, findet sich nicht in "Klimaneutrales Deutschland. In drei Schritten zu null Treibhausgasen bis 2050 über ein Zwischenziel von -65 % im Jahr 2030 als Teil des EU-Green-Deals"; auch eine Machbarkeitsstudie sucht man vergeblich. So marschiert derzeit mit deutscher Gründlichkeit eine ganze Division von Klimaschützern mit unzähligen Bataillonen gegen den Klimawandel auf. Wie das nächste Kapitel zeigt, steht Deutschland damit nicht alleine da - abgesehen von einigen Führungstruppen, die ein Tempo vorlegen, bei dem das Fußvolk möglicher Weise nicht mithalten kann.

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