+ Good News des Monats: Assange ist wieder frei! Es gibt wohl kein Thema in den vergangenen zehn Jahren, bei dem Massenmedien ebenso wie kritische Medien, USA-treue ebenso wie USA-kritische Journalisten und Politiker einer Meinung waren: die Ungerechtigkeit langjährigen Inhaftierung des Wikileak-Gründers.
+ Verfassungsbruch des Monats: Ministerin vertritt EU-Interessen in der EU. Die Interessen der Bundesländer, die sie in dem Fall vertreten müsste, sind ihr völlig egal. „Die Entscheidung ist nicht leicht gefallen“, lautet die Entschuldigung. Nach den Wahlen wird sie zwar aus der Regierung und aus der österreichischen Politik fliegen, aber sicher weich auf irgendeinem EU-Polster landen. Hier Gewesslers Selbstverherrlichung via twitter (16.6.24) Leonore Gewessler @lgewessler „Ohne intakte #Natur gibt es kein gesundes und glückliches Leben. #Naturschutz sichert unsere Zukunft. Das sind wir den nachfolgenden Generationen schuldig. Genau deshalb haben wir intensiv nach einer Lösung beim #Renaturierungsgesetz gesucht und sie gefunden. Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, dass wir diese Chance verstreichen lassen, ohne alles versucht zu haben. Genau deshalb stimme ich morgen beim Rat der EU-Umweltminister:innen diesem #Naturschutzgesetz zu. #Renaturierungsgesetz. Ethos.at kommentiert: wer hätte das gedacht, dass die Klimaglückministerin ein Gewissen hat?
SIEHE AUCH: Seuchenkolumne von Armin Thurnher
Räteunion EU / Europäischer Rat = Sowjetunion 4.0
Die Räte der EU, also die Herrschaften in den Regierungen der einzelnen EU-Mitglieder und -innen haben entschieden: Ursula von der Leyen, die Kandidatin Big Pharma, soll ihre kriminellen Machenschaften noch weitere fünf Jahre fortsetzen. Das berichteten Ende Juni die Massenmedien wie Bild.de (Quelle twitter.com)
WKO.TV am 17.6.2024
„Staat muss wie Unternehmen geführt werden – nicht wie Sozialeinrichtung. Wirtschaftsparlament macht Druck gegen Vollkasko-Mentalität. Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft als Grundvoraussetzung für den Wohlstandserhalt: dieses Bewusstsein will das steirische Wirtschaftsparlament nicht nur zurück in die Gesellschaft, sondern auch zurück in die Politik bringen – und fordert unter anderem eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse bei den Staatsausgaben.“
ethos.at kommentiert: Wenn „die Wirtschaft“ so geführt werden würde, wie das die Vertreter der Wiener Schule in ihren idealtypischen Annahmen propagiert haben, dann könnte man dieser Forderung zustimmen. Doch die Realität des Managements, insbesondere großer Konzerne (nicht zu verwechseln mit der Führung von Unternehmen durch Unternehmer), ist nicht dazu angetan, einer idealen Staatsführung als Vorbild zu dienen. Auch nicht das Werbefilmchen der WKO! Denn die WKO selbst ist zur Zuschuss-Behörde degenieriert.]
EU Agrarförderungen
Über Fehlentwicklung der Agrar-Förderungen berichtet kontrast.at (24.6.24): „Das EU-Fördersystem für Landwirt:innen ist ungerecht. Während die größten Agrarkonzerne rund 80 % der gesamten Förderungen für Landwirtschaft bekommen, gehen Kleinbauern verhältnismäßig leer aus. In Österreich erhielten die 10 % der größten Konzerne in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte der Subventionen. Die Top-Profiteure sind Agrarmarkt Austria und A1 – aber auch Wolfgang Porsche badet in Fördergeldern.“ Bei der Gelegenheit: Wer und wo ist eigentlich der österreichische Landwirtschaftsminister?
Bücher + Neuerscheinungen + Literatur + Sachbücher + Empfehlungen + Erlesen
Auch ethos.at geht einmal auf Urlaub! Im Juni ist es so weit. Der Monatsrückblick beschränkt sich diesmal auf Einblicke in neue oder gute, alte Bücher. Aus gegebenem Anlass, oder einfach so – weil es zu unserer Bildung, zu unserer Kultur, zu unserer Zivilisation gehört, BÜCHER zu LESEN.
3. Juni 2024 - Aus gegebenem Anlass: 100. Todestag von Franz Kafka. ethos.at empfiehlt den Roman „Das Schloß“.
Die zwei wichtigsten Bücher über das Luftschloss EU, die von 6. bis 9. Juni 360 Millionen Bürger zur Wahl ruft: 1. „Herr Sonneborn geht nach Brüssel. Abenteuer im Europaparlament“ (erschienen 2019) über den Alltag „des“ EU-Parlaments, das räumlich aus zwei Parlamenten in Strassburg und Brüssel besteht. 2. „Europa. Ein Nachruff“ vom Historiker Hannes Hofbauer (erschienen 2020), der die systemischen Fehl-Konzeptionen und Fehl-Entwicklungen der EU aufdeckt“.
6. Juni 2024 - 80. Jahrestag des D-DAY. Decision Day, der Anfang vom Ende des Zweiten Weltkriegs! Rund 150 Jahre davor hatte Immanuel Kant seine Schrift „Zum ewigen Frieden“ publiziert. Was hat uns der Philosoph aus Königsberg, der von 1724 bis 1804 lebte, heute noch zu sagen? Das Projekt Gutenberg hat diese Schrift im Originaltext publiziert.
Auszüge aus dieser historischen Schrift von Immanuel Kant auf Tiktok.
Zum 100. Geburtstag von Johannes Mario Simmel, der am 7. April gewesen wäre, erinnern wir an „Doch mit den Clowns kamen die Tränen“. Ein Blick hinter die Kulissen der Gentechnik aus Sicht des Jahres 1987.
Das wichtigste Buch im "Jahr der Demokratie", wir erleben 2024 die weltweit meisten Wahlen seit 125.000 Jahren :-) ist bereits 2023 erschienen: "Mehr Demokratie wagen", von Bruno S. Frey und Oliver Zimmer. Da in Europa die meisten Länder erst nach dem ersten Weltkrieg demokratische Verfassungen bekommen haben, vergisst man oft, dass zwei Jahre nach Verabschiedung der Amerikanischen Verfassung die Französische Revolution das zweite demokratische Experiment der Neuzeit war. Auf die Vordenker der Demokratie, Montesquieu und Rousseau, folgten weitere im 19. Jahrhundert. Auf ihren Konzepten basiert die repräsentative Demokratie, die sich laut Ansicht der Autoren überlebt hat.
"Was Sie schon immer über Amerika wissen wollten, könnte das Buch von Report-Herausgeber Alfons Flatscher heißen. Statt dessen wälte er den Titel "Amerika ist anders". Darin berichtet er über seine Erfahrungen, die er in mehr als zehn Jahren als USA-Korrespondent des Report-Verlages gemacht hat. Das Buch ist ein gemenisames Projekt mit seiner Tochter Alina, die Layout und Grafik-Illustrationen beigesteuert hat. Erschienen im Oktober 2023.
Der Journalist Wolfgang Freisleben veröffentlichte bereits 2017 das kritische Buch „Das Amerika Syndikat. Wie die souveränen Staaten Europas zur Kolonie der USA verkommen“. Ein Jahr später ist er unerwartet verstorben.
Was Sie schon immer über das Impfen wissen wollten. Ehgartner über Bert Ehgartner: Das Grundgerüst des Buchs stammt noch von "Gute Impfung - Schlechte Impfung", doch ich habe viele Monate an der Aktualisierung aller Kapitel gearbeitet und ca. 200 Seiten vollständig neu geschrieben. z.B. zu den Ereignissen der Corona-Zeit und der - aufgrund des 'großen Erfolgs' – auf uns zukommenden Lawine neuer mRNA Impfungen. Ebenso enthalten ist ein Kapitel über die im Juni in Europa erstmals zugelassene RSV Impfung für Personen ab 60 Jahren und die im August zugelassene RSV Impfung für Schwangere.
+ Der digitale Impfpass wird Realität in Österreich und hat die parlamentarische Hürde genommen – ID Austria bekommt seinen Impfpass. "Damit erhält das Gesundheitsministerium die Hoheit über alle Impfdaten der Österreicher. ... Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat das österreichische Parlament (ÖVP, Grüne, SPÖ, NEOS) das sogenannte Gesundheitstelematikgesetz erneuert. Wesentlicher Teil davon: der „eImpfpass“, der digitalisierte, elektronische Impfpass. Die vier Parteien haben am Mittwoch im Gesundheitsausschuss für den „Vollbetrieb des elektronischen Impfpasses“ gestimmt", berichtet tkp.at (27.6.2024) ++ „Der elektronische Impfpass (auch e-Impfpass) wird in den nächsten Jahren den klassischen Papier-Impfpass ablösen. Der e-Impfpass bringt zahlreiche Vorteile“, so die amtliche Seite gesundheit.gv.at. Für wen der e-Impfpass „zahlreiche Vorteile“ bringt, können sich aufgeklärte Österreicher selbst denken.
Es gibt auch 08/15-Bücher, die man nicht empfehlen kann, weil manche Autoren und Neosautorinnen meinen, man könne dem Spracherkennungsprogramm beliebige Banalitäten diktieren, dann drucken und zwischen zwei Kartondeckeln pressen, und damit sei endlich das eigene Buch fertig. Im ersten Halbjahr 2024 haben sich solche "Erscheinungen" gehäuft.
Ausnahme der hier abgebildeten Titel ist das sehr persönliche Bekenntnis des ehemaligen Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl: Europa und ich. Vermutlich wollte er damit nicht an den ersten Roman von Daniel Kehlmann erinnern: Ich und Kaminski.
Regelmäßig erscheinen neu, kritische Bücher über den Finanzmarkt. Die Grundlage dieses Marktes, das Geld, hat noch niemand so genau untersucht wie Joseph Huber in seinem Buch Zeitenwende des Geldsystems.
Auch schon wieder ein Jahr am Markt,aber sonderbarer Weise sogar in alternativen Medien wenig besprochen ist das Buch von Bernd Spatzenegger: Die Energielüge.
NEUERSCHEINUNG Juni 2024: Meine Wilde Nation. Der Autor Alex Lissitsa leitet im Hauptberuf eine Agrar-Holding in der Ukraine und „herrscht“ somit über ein Gebiet von 130.000 Hektar! Im Vergleich: die durchschnittliche Landwirtschaft in Österreich bewirtschaftet 45 Hektar. Der Autor studierte Agrarwissenschaften und war danach als Stipendiat der Adenauer-Stiftung in Deutschland. „Die Ukraine auf dem Weg in die Freiheit“, so der Untertitel seines Buches, ist aus seiner Sicht mit dem Weg der Ukraine in die EU gleichbedeutend.
Zum Abschluss der komplette Wortlaut des programmatischen Aufsatzes „Was ist Aufklärung“, den Immanuel Kant (1724-1804) vor genau 240 Jahren in Berlin publiziert hat. (Quelle: Projekt Gutenberg)
Immanuel Kant
Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen (naturaliter maiorennes), dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, u.s.w., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen droht, wenn sie es versuchen allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeinhin von allen ferneren Versuchen ab.
Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalsten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur Wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln und dennoch einen sicheren Gang zu tun.
Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen selbst zu denken um sich verbreiten werden. Besonders ist hierbei: daß das Publikum, welches zuvor von ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie danach selbst zwingt darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die oder deren Vorgänger ihre Urheber gewesen sind. Daher kann ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotismus und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zustande kommen; sondern neue Vorurteile werden ebensowohl als die alten zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.
Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Seiten rufen: räsonniert nicht! Der Offizier sagt: räsonniert nicht, sondern exerziert! Der Finanzrat: räsonniert nicht, sondern bezahlt! Der Geistliche: räsonniert nicht, sondern glaubt! (Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonniert, so viel ihr wollt, und worüber ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist überall Einschränkung der Freiheit. Welche Einschränkung aber ist der Aufklärung hinderlich? welche nicht, sondern ihr wohl gar beförderlich? – Ich antworte: der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muß jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter Menschen zustande bringen; der Privatgebrauch derselben aber darf öfters sehr enge eingeschränkt sein, ohne doch darum den Fortschritt der Aufklärung sonderlich zu hindern. Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauch seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht. Den Privatgebrauch nenne ich denjenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten bürgerlichen Posten oder Amte von seiner Vernunft machen darf. Nun ist zu manchen Geschäften, die in das Interesse des gemeinen Wesens laufen, ein gewisser Mechanism notwendig, vermittels dessen einige Glieder des gemeinen Wesens sich bloß passiv verhalten müssen, um durch eine künstliche Einhelligkeit von der Regierung zu öffentlichen Zwecken gerichtet, oder wenigstens von der Zerstörung dieser Zwecke abgehalten zu werden. Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren; sondern man muß gehorchen. So fern sich aber dieser Teil der Maschine zugleich als Glied eines ganzen gemeinen Wesens, ja sogar der Weltbürgergesellschaft ansieht, mithin in der Qualität eines Gelehrten, der sich an ein Publikum im eigentlichen Verstande durch Schriften wendet: kann er allerdings räsonnieren, ohne daß dadurch die Geschäfte leiden, zu denen er zum Teile als passives Glied angesetzt ist. So würde es sehr verderblich sein, wenn ein Offizier, dem von seinen Oberen etwas anbefohlen wird, im Dienste über die Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit dieses Befehls laut vernünfteln wollte; er muß gehorchen. Es kann ihm aber billigermaßen nicht verwehrt werden, als Gelehrter über die Fehler im Kriegesdienste Anmerkungen zu machen und diese seinem Publikum zur Beurteilung vorzulegen. Der Bürger kann sich nicht weigern, die ihm auferlegten Abgaben zu leisten; sogar kann ein vorwitziger Tadel solcher Auflagen, wenn sie von ihm geleistet werden sollen, als ein Skandal (das allgemeine Widersetzlichkeiten veranlassen könnte) bestraft werden. Eben derselbe handelt demungeachtet der Pflicht eines Bürgers nicht entgegen, wenn er als Gelehrter wider die Unschicklichkeit oder auch Ungerechtigkeit solcher Ausschreibungen öffentlich seine Gedanken äußert. Ebenso ist ein Geistlicher verbunden, seinen Katechismusschülern und seiner Gemeinde nach dem Symbol der Kirche, der er dient, seinen Vortrag zu tun; denn er ist auf diese Bedingung angenommen worden. Aber als Gelehrter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu, alle seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol und Vorschläge wegen besserer Einrichtung des Religions- und Kirchenwesens dem Publikum mitzuteilen. Es ist hiebei auch nichts, was dem Gewissen zur Last gelegt werden könnte. Denn was er infolge seines Amts als Geschäftträger der Kirche lehrt, das stellt er als etwas vor, in Ansehung dessen er nicht freie Gewalt hat nach eigenem Gutdünken zu lehren, sondern das er nach Vorschrift und im Namen eines anderen vorzutragen angestellt ist. Er wird sagen: unsere Kirche lehrt dieses oder jenes; das sind die Beweisgründe, deren sie sich bedient. Er zieht alsdann allen praktischen Nutzen für seine Gemeinde aus Satzungen, die er selbst nicht mit voller Überzeugung unterschreiben würde, zu deren Vortrag er sich gleichwohl anheischig machen kann, weil es doch nicht ganz unmöglich ist, daß darin Wahrheit verborgen läge, auf alle Fälle aber wenigstens doch nichts der inneren Religion Widersprechendes darin angetroffen wird. Denn glaubte er das letztere darin zu finden, so würde er sein Amt mit Gewissen nicht verwalten können; er müßte es niederlegen. Der Gebrauch also, den ein angestellter Lehrer von seiner Vernunft vor seiner Gemeinde macht, ist bloß ein Privatgebrauch: weil diese immer nur eine häusliche, obwohl noch so große Versammlung ist; und in Ansehung dessen ist er als Priester nicht frei und darf es auch nicht sein, weil er einen fremden Auftrag ausrichtet. Dagegen als Gelehrter, der durch Schriften zum eigentlichen Publikum, nämlich der Welt, spricht, mithin der Geistliche im öffentlichen Gebrauche seiner Vernunft genießt einer uneingeschränkte Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen. Denn daß die Vormünder des Volks (in geistlichen Dingen) selbst wieder unmündig sein sollen, ist eine Ungereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten hinausläuft.
Aber sollte nicht eine Gesellschaft von Geistlichen, etwa eine Kirchenversammlung, oder eine ehrwürdige Classis (wie sie sich unter den Holländern selbst nennt), berechtigt sein, sich eidlich untereinander auf ein gewisses unveränderliches Symbol zu verpflichten, um so eine unaufhörliche Obervormundschaft über jedes ihrer Glieder und vermittels ihrer über das Volk zu führen und diese sogar zu verewigen? Ich sage: das ist ganz unmöglich. Ein solcher Kontrakt, der auf immer alle weitere Aufklärung vom Menschengeschlechte abzuhalten geschlossen würde, ist schlechterdings null und nichtig; und sollte er auch durch die oberste Gewalt, durch Reichstage und die feierlichsten Friedensschlüsse bestätigt sein. Ein Zeitalter kann sich nicht verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muß, seine (vornehmlich so sehr angelegentliche) Erkenntnisse zu erweitern, von Irrtümern zu reinigen und überhaupt in der Aufklärung weiter zu schreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten besteht; und die Nachkommen sind also vollkommen dazu berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und frevelhafter Weise genommen, zu verwerfen. Der Probierstein alles dessen, was über ein Volk als Gesetz beschlossen werden kann, liegt in der Frage: ob ein Volk sich selbst wohl ein solches Gesetz auferlegen könnte. Nun wäre dieses wohl gleichsam in der Erwartung eines besseren auf eine bestimmte kurze Zeit möglich, um eine gewisse Ordnung einzuführen: indem man es zugleich jedem der Bürger, vornehmlich dem Geistlichen frei ließe, in der Qualität eines Gelehrten öffentlich, d.i. durch Schriften, über das Fehlerhafte der dermaligen Einrichtung seine Anmerkungen zu machen, indessen die eingeführte Ordnung noch immer forzdauerte, bis die Einsicht in die Beschaffenheit dieser Sachen öffentlich so weit gekommen und bewährt worden, daß sie durch Vereínigung ihrer Stimmen (wenngleich nicht aller) einen Vorschlag vor den Thron bringen könnte, um diejenigen Gemeinden in Schutz zu nehmen, die sich etwa nach ihren Begriffen der besseren Einsicht zu einer veränderten Religionseinrichtung geeinigt hätten, ohne doch diejenigen zu hindern, die es beim Alten wollten bewenden lassen. Aber auf eine beharrliche, von Niemanden öffentlich zu bezweifelnde Religionsverfassung auch nur binnen der Lebensdauer eines Menschen sich zu einigen und dadurch einen Zeitraum in dem Fortgange der Menschheit zur Verbesserung gleichsam zu vernichten und fruchtlos, dadurch aber wohl gar der Nachkommenschaft nachteilig zu machen, ist schlechterdings unerlaubt. Ein Mensch kann zwar für seine Person und auch alsdann nur auf einige Zeit in dem, was ihm zu wissen obliegt, die Aufklärung aufschieben; aber auf sie Verzicht zu tun, es sei für seine Person, mehr aber noch für die Nachkommenschaft, heißt die heiligen Rechte der Menschheit verletzen und mit Füßen treten. Was aber nicht einmal ein Volk über sich selbst beschließen darf, das darf noch weniger ein Monarch über das Volk beschließen; denn sein gesetzgebendes Ansehen beruht eben darauf, daß er den gesamten Volkswillen in dem seinigen vereinigt. Wenn er nur darauf sieht, daß alle wahre oder vermeintliche Verbesserung mit der bürgerlichen Ordnung zusammen bestehe: so kann er seine Untertanen übrigens nur selbst machen lassen, was sie um ihres Seelenheils willen zu tun nötig finden; das geht ihn nichts an, wohl aber zu verhüten, daß nicht einer den andern gewalttätig hindere, an der Bestimmung und Beförderung desselben nach allem seinem Vermögen zu arbeiten. Es tut selbst seiner Majestät Abbruch, wenn er sich hier einmischt, indem er die Schriften, wodurch seine Untertanen ihre Einsichten ins Reine zu bringen suchen, seiner Regierungsaufsicht würdigt, sowohl wenn er dieses aus eigener höchster Einsicht tut, wo er sich dem Vorwurfe aussetzt: Caesar non est supra Grammaticos, als auch und noch weit mehr, wenn er seine oberste Gewalt so weit erniedrigt, den geistlichen Despotismus einiger Tyrannen in seinem Staate gegen seine übrigen Untertanen zu unterstützen.
Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Daß die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im Ganzen genommen, schon imstande wären, oder darin auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines Anderen sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. Allein daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung, oder das Jahrhundert Friederichs.
Ein Fürst, der es seiner nicht unwürdig findet, zu sagen: daß er es für Pflicht halte, in Religionsdingen den Menschen nichts vorzuschreiben, sondern ihnen darin volle Freiheit zu lassen, der also selbst den hochmütigen Namen der Toleranz von sich ablehnt, ist selbst aufgeklärt und verdient von der dankbaren Welt und Nachwelt als derjenige gepriesen zu werden, der zuerst das menschliche Geschlecht der Unmündigkeit wenigstens von Seiten der Regierung entschlug und Jedem frei ließ, sich in allem, was Gewissensangelegenheit ist, seiner eigenen Vernunft zu bedienen. Unter ihm dürfen verehrungswürdige Geistliche unbeschadet ihrer Amtspflicht ihre vom angenommenen Symbol hier oder da abweichenden Urteile und Einsichten in der Qualität der Gelehrten frei und öffentlich der Welt zur Prüfung darlegen; noch mehr aber jeder andere, der durch keine Amtspflicht eingeschränkt ist. Dieser Geist der Freiheit breitet sich außerhalb aus, selbst da, wo er mit äußeren Hindernissen einer sich selbst mißverstehenden Regierung zu ringen hat. Denn es leuchtet dieser doch ein Beispiel vor, daß bei Freiheit für die öffentliche Ruhe und Einigkeit des gemeinen Wesens nicht das Mindeste zu besorgen sei. Die Menschen arbeiten sich von selbst nach und nach aus der Roheit heraus, wenn man nur nicht absichtlich künstelt, um sie darin zu erhalten.
Ich habe den Hauptpunkt der Aufklärung, d.i. des Ausgangs der Menschen aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit, vorzüglich in Religionssachen gesetzt: weil in Ansehung der Künste und Wissenschaften unsere Beherrscher kein Interesse haben, den Vormund über ihre Untertanen zu spielen; überdem auch jene Unmündigkeit, so wie die schädlichste, also auch die entehrendste unter allen ist. Aber die Denkungsart eines Staatsoberhaupts, der die erstere begünstigt, geht noch weiter und sieht ein: daß selbst in Ansehung seiner Gesetzgebung es ohne Gefahr sei, seinen Untertanen zu erlauben, von ihrer eigenen Vernunft öffentlichen Gebrauch zu machen und ihre Gedanken über eine bessere Abfassung derselben sogar mit einer freimütigen Kritik der schon gegebenen der Welt öffentlich vorzulegen; davon wir ein glänzendes Beispiel haben, wodurch noch kein Monarch demjenigen vorging, welchen wir verehren.
Aber auch nur derjenige, der, selbst aufgeklärt, sich nicht vor Schatten fürchtet, zugleich aber ein wohldiszipliniertes zahlreiches Heer zum Bürgen der öffentlichen Ruhe zur Hand hat, kann das sagen, was ein Freistaat nicht wagen darf: räsonniert, soviel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht! So zeigt sich hier ein befremdlicher, nicht erwarteter Gang menschlicher Dinge; so wie auch sonst, wenn man ihn im Großen betrachtet, darin fast alles paradox ist. Ein größerer Grad bürgerlicher Freiheit scheint der Freiheit des Geistes des Volks vorteilhaft und setzt ihr doch unübersteigliche Schranken; ein Grad weniger von jener verschafft hingegen diesem Raum, sich nach allem seinem Vermögen auszubreiten. Wenn denn die Natur unter dieser harten Hülle den Keim, für den sie am zärtlichsten sorgt, nämlich den Hang und Beruf zum freien Denken, ausgewickelt hat: so wirkt dieser allmählig zurück auf die Sinnesart des Volks (wodurch dieses der Freiheit zu handeln nach und nach fähiger wird) und endlich auch sogar auf die Grundsätze der Regierung, die es ihr selbst zuträglich findet, den Menschen, der nun mehr als Maschine ist, seiner Würde gemäß zu behandeln.
Königsberg in Preußen, den 30. Septemb. 1784.