Kleine Geschichte Israels - 5. Der Zweite Weltkrieg

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5. Der Zweite Weltkrieg

Das McDonald-Weißbuch wurde also am Vorabend des Zweiten Weltkrieges beschlossen und publik gemacht. Nur drei Monate später begann, nachdem er sich mit Stalin verständigt hatte, Hitler den Krieg gegen Polen. England und Frankreich beantworteten diesen Überfall, indem sie Deutschland den Krieg erklärten, freilich ohne in der Lage zu sein, dieser Kriegserklärung auch ernstzunehmende kriegerische Taten folgen zu lassen und den überfallenen Polen zu Hilfe zu eilen ― zu sehr hatte man in der Zwischenkriegszeit die Rüstung vernachlässigt. So blieb als unmittelbare Folge dieser Kriegserklärung nur, dass sich der zunächst noch lokale Konflikt zwischen Deutschland und Polen zu einem europäischen, ja bald zum Weltkrieg ausweitete.

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Die Geschichte Palästinas während dieses Krieges ist eng verknüpft mit der Rolle, welche die Hagana in ihm spielen sollte ― ein kurzer Rückblick auf sie ist daher geboten.

Die Wurzeln dieser jüdischen Organisation reichen zurück in die Zeit der ersten arabischen Aufstände zu Anfang der Zwanzigerjahre, als es immer wieder zu Übergriffen auf Juden kam und das eine oder andere kleinere, aber auch größere Massaker an ihnen verübt wurde. Dass die Juden das nicht hinnahmen und zur Selbsthilfe schritten, ist sehr verständlich. Aus dem Gefühl des Bedrohtseins heraus entstanden daher örtliche Verteidigungsgruppen, die von der jüdischen Gewerkschaft zusammengehalten und geführt wurden. Mit jedem neuen Übergriff erhielten diese zunächst noch ziemlich losen Gruppen neuen Zulauf, verfestigten ihre Strukturen, verbesserten ihre Bewaffnung und wurden mit der Zeit zu einem ernstzunehmenden paramilitärischen Verband, insbesondere auch deshalb, weil die Engländer zur Niederschlagung des arabischen Aufstands des Jahres 1937 einige ihrer Einheiten als Hilfspolizei einsetzten. 1938 bestand die Hagana schon aus über 20.000 Freiwilligen; darunter waren auch viele Frauen. Die Mitgliedschaft war sozusagen nebenberuflich. Man ging nachwievor seiner üblichen Beschäftigung nach; und man war in der Hagana. Damals wurde den Israelis das Gen, ein Volk in Waffen zu sein, eingepflanzt. Doch wer weiß? Womöglich war es immer schon vorhanden und wurde damals nur angeknipst. Es je wieder auszuknipsen, das hat man freilich versäumt . . .

Die Hagana, auf Deutsch „Verteidigung“, ist ein aus der Not geborenes Produkt des jüdischen Pioniergeistes, dem man die Anerkennung nicht versagen kann. Freilich sind auch Schattenseiten zu vermerken. Als solche sind jene Teile der Hagana anzusehen, die mit ihrer zunächst defensiven Ausrichtung nicht einverstanden waren, die daher auch zum Terror als Mittel des politischen Kampfes griffen und die sich von ihr abspalteten. Die bekannteste und größte dieser Abspaltungen ist die unter dem Kommando des späteren Ministerpräsidenten Menachem Begin stehende Irgun. Zu nennen wäre auch die Terrororganisation Lechi.

Nach dem McDonalds-Weißbuch sollte die Hagana eigentlich aufgelöst werden. Doch nach der katastrophalen und vor allem unerwartet schnellen Niederlage Polens fuhr den Engländern der Schreck in die Glieder, denn sie mussten erkennen, wie schlecht sie nicht nur in Europa, sondern auch in Palästina auf den Krieg vorbereitet waren, zumal sie ja nicht ganz ausschließen konnten, dass auch ihr ehemaliger Feind, die Türkei, in den Krieg eintreten werde, in der Absicht, seine 1918 verlorenen Provinzen wenigstens teilweise zurückzuerobern. Vor allem aber sorgten sich die Engländer um den für sie lebenswichtigen Suezkanal, der schon bald von Italien, dem Verbündeten Deutschlands, ins Visier genommen werden sollte. In ihrer Not änderten die Engländer erneut ihren Kurs und begannen, um Unterstützung der Hagana zu werben, welche sie gemäß dem Weißbuch eigentlich auflösen wollten.

Die Juden waren empört über die Chuzpe der Engländer, als welche sie das Weißbuch ansahen. In New York kündigte der zionistische Weltkongress das Bündnis mit Großbritannien auf. Doch es gab unter den Juden auch Neuankömmlinge aus Europa, denen nach Ausbruch des Krieges die Flucht nach Palästina gelungen war, bevor sich überall in Europa die Tore schlossen; die sich daher von den Engländern anwerben ließen, weil diese jenen Mann, vor dem sie geflüchtet waren, bekämpften: den deutschen Führer Adolf Hitler. Und es gab den schlauen Ben Gurion, der sich schon bei Kriegsbeginn klar für das kleinere Übel „England“ entschieden hatte, indem er die eindrucksvolle Formel ausgab: „Wir werden Hitler bekämpfen, als ob es kein Weißbuch gäbe, und wir werden das Weißbuch bekämpfen, als ob es keinen Krieg gäbe.“

Den italienischen Vorstoß von Libyen aus in Richtung Ägypten und dem Suezkanal konnten die Engländer noch leicht abwehren. Kritisch wurde die Lage für sie erst, als deutsche Verstärkungen unter dem Kommando des legendären Generals Rommel in Nordafrika eintrafen. Nach vielen taktischen Siegen, als er schon an die Tore Ägyptens klopfte, wurde Rommel 1942 schließlich besiegt. Die Gefahr in Nordafrika und damit für den Suezkanal war somit gebannt, was dazu führte, dass die Engländer, situationselastisch wie immer, ihre bis dahin uneingeschränkte Unterstützung der Hagana beendeten. Da man die jüdischen Soldaten nicht mehr brauchte, ihre Präsenz in Palästina eher fürchtete, wurden ihre Einheiten nach einigem Hin- und Her schließlich nach Zypern verlegt, wo sie zur Untätigkeit verurteilt waren. Schließlich wurde die Jüdische Brigade gegründet und in die britische Armee eingegliedert. Sie war 5000 Mann stark und wurde ab September 1944 in Italien eingesetzt. Als Teil der britischen Armee gelangte sie 1945 in das besiegte Deutschland, wo sie unter anderem versuchte, jüdischen Überlebenden, die nach Palästina wollten, behilflich zu sein. Nach und nach wurden ihre Einheiten von den Engländern aufgelöst.

Das Verhältnis der Hagana zu den perfiden Engländern verschlechterte sich nach Kriegsende rapid, als, nach Ben Gurions Worten, das verbindende Element, der Kampf gegen Hitler, weggefallen war, das trennende, die Bekämpfung des Weißbuches, aber geblieben. Die Hagana ging in den Untergrund und begann mit Terroranschlägen, besonders auf Einrichtungen der Engländer. Deren bekanntester war der Bombenanschlag des Irgun, einer radikalen Abspaltung der Hagana, auf das King David Hotel in Jerusalem, in dem zahlreiche englische Behörden untergebracht waren. Verantwortlich für diesen Anschlag, bei dem 91 Menschen, nach anderen Quellen fast doppelt so viele ums Leben kamen, war der spätere israelische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin. Als Rache für die Hinrichtung von verurteilten Juden durch die englische Mandatsmacht ließ Begin auch zwei gefangene englische Soldaten hängen, eine abscheuliche Tat zwar, aber auch Ausdruck der Abscheus, die inzwischen viele Juden den Engländern gegenüber hegten.