7. Die Staatsgründung von 1948 und Israels Kriege mit den arabischen Nachbarn
Am 14. Mai 1948, also einen guten Monat nach den Ereignissen von Deir Yasin, endete das den Engländern vom Völkerbund verliehene Mandat und mit ihm ihre Präsenz in Palästina. Die Juden hatten es eilig, denn sofort trat ihr Nationalrat zusammen und rief noch am selben Tag vor Sonnenuntergang den unabhängigen Staat Israel aus. Die Anerkennung des neuen Gebildes durch die USA folgte nur wenige Minuten später. Zwei Tage später folgte die Anerkennung Israels durch die Sowjetunion. Warum Stalin nicht für die arabische Seite Partei ergriffen hat und es duldete, dass tschechische Waffen nach Israel geliefert wurden, darüber kann ich nur mutmaßen. War es, weil die arabischen Staaten damals noch Monarchien waren oder war die Nähe der israelischen Führung zum Sozialismus auschlaggebend? Jedenfalls wurde die spätere Ministerpräsidentin Golda Meir, damals schon dem inneren Kreis der israelischen Führung angehörig, die erste israelische Botschafterin in der Sowjetunion.
Schon am nächsten Morgen befand sich der neue Staat im Krieg, denn noch in der Nacht hatten seine arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Saudi-Arabien, Syrien, Jordanien, der Libanon und der Irak ihm diesen erklärt.
Die unmittelbare Folge war eine große Flüchtlingswelle, deren Ursache bis heute umstritten ist. Während die Palästinenser von der Nakba sprechen und sagen, sie wären vertrieben worden, sagen die Israelis, die arabischen Armeen hätten die Palästinenser zur Flucht aus dem Kampfgebiet aufgefordert. Das ist zumindest plausibel; sie sollten weder zwischen die Fronten geraten noch den Israelis als menschliche Schutzschilde dienen. Jedenfalls flohen die Palästinenser in der Hoffnung, nach dem allgemein erwarteten schnellen Sieg der Araber bald wieder in ihre Dörfer zurückkehren zu können.
Die Israelis, immer geschickt darin, biblische Motive für ihre Propaganda zu nutzen, haben ihren Kampf gegen die arabischen Verbände ― von arabischen Armeen zu sprechen wäre übertrieben und daher irreführend ― zum Kampf Davids gegen Goliath stilisiert. Doch die arabischen „Armeen“ waren klein, schlecht bewaffnet, schlecht munitioniert, schlecht geführt und unerfahren im Kampf. Sie waren von den damaligen arabischen Machthabern bewusst klein gehalten worden, weil diese befürchteten, sie könnten gegen sie putschen, was später, nachdem der Krieg gegen Israel zu Ende war, in vielen arabischen Staaten tatsächlich der Fall war. Der israelische David war zwar noch nicht erwachsen, ein kräftiger ansehnlicher Jüngling war er aber schon; seine arabischen Kontrahenten hingegen könnte man, um im Bild zu bleiben, als halbe Kinder ansehen.
Die Ausnahme bildete Jordanien. Dort herrschte, inzwischen zum König gekrönt, der von den Engländern installierte Sohn des ehemaligen Scherifs von Mekka, Abdallah. Jordanien besaß eine kleine, etwa 9000 Mann starke Beduinenarmee, die Arabische Legion, die von John Bagot Glubb, einem ehemaligen englischen Weltkriegsoffizier, geformt und befehligt wurde.
Glubb, eine Art zweiter Lawrence von Arabien, ist, neben David Ben Gurion, eine der wenigen in die Ereignisse von 1948 involvierten Gestalten, die einem imponieren. Ich möchte ihm daher in Form einiger weniger Zeilen ein kleines Denkmal errichten.
Nach seinem Dienst im Weltkrieg, in dem er schwer verwundet worden war, ging der junge Glubb in den Irak. Dort lebte er unter Beduinen, erlernte ihre Sprache, machte sich mit ihrer uns so wenig bekannten Mentalität vertraut, studierte ihre Kultur und trat für einige Jahre in den Dienst der irakischen Regierung unter König Faisal, dem Bruder des jordanischen Königs.
Ab 1930 finden wir ihn in Jordanien, wo er die im Entstehen befindliche jordanische Armee zu einem schlagkräftigen, nach englischem Standard organisierten Verband von Beduinenkriegern formt und ihr Pascha, also ihr General wird.
Im Zweiten Weltkrieg kämpfte die Arabische Legion, auf Seiten der Alliierten im Irak, wo eine deutschlandfreundliche Regierung an die Macht gekommen war. Sie kämpfte aber auch in den von Vichy-Frankreich gehaltenen syrischen und libanesischen Mandatsgebieten.
Um im Westjordanland kein Machtvakuum entstehen zu lassen, überschritt Glubbs Legion am 15. Mai 1948 im Beisein des jordanischen Königs Abdallah den Jordan und marschierte in Richtung Jerusalem. Die jordanischen Kriegsziele waren maßvolle. Während die anderen arabischen Staaten, von ihren religiösen Autoritäten zum Dschihad aufgepeitscht, die Zerstörung Israels und die Massakrierung der Juden, zumindest aber ihre Vertreibung als Ziel ausgegeben hatten, wollte Jordanien lediglich ein möglichst großes Gebiet des ohnehin den Arabern zugedachten Teils Palästinas besetzen und unter seine Kontrolle bringen. Da König Abdallah als einziger arabischer Herrscher den UN-Teilungsplan gutgeheißen hatte, beabsichtigte er weder auf das Gebiet, das laut UN-Beschluss für Israel bestimmt war, vorzustoßen, noch sich an der Vernichtung des sich konstituierenden israelischen Staates zu beteiligen.
Freilich mussten die Jordanier ein delikates Problem lösen, nämlich Jerusalem. Diese mitten im arabischen Teil gelegene Stadt sollte nach dem UN-Plan unter internationale Verwaltung kommen. Damals lebten etwa 100.000 Juden in Jerusalem, die meisten davon in der Neustadt im Westen, ein kleinerer Teil auch im jüdischen Viertel der im Osten gelegenen Altstadt.
König Abdallah wollte zunächst an Jerusalem nicht rühren, doch auf arabischen Druck hin änderte er seine Absicht und befahl wenige Tage später doch den Angriff auf die Jerusalemer Altstadt. Das jüdische Viertel wurde erobert, seine Verteidiger gefangen genommen, der jüdischen Zivilbevölkerung der Abzug in die Neustadt aber erlaubt. Anschließend wurde das Viertel zerstört. Da die Jordanier die einzige Straße, die Tel Aviv mit Jerusalem verbindet, kontrollierten, war Westjerusalem von der jüdischen Außenwelt abgeschnitten. Israelische Angriffe, unternommen um den Zugang zu Jerusalem freizukämpfen, wurden von der arabischen Legion abgewehrt. Doch gelang es den Israelis in aller Eile, eine behelfsmäßige Straße zu errichten, auf der an den jordanischen Stellungen vorbei Güter in die eingeschlossene Stadt gebracht werden konnten, vor allem das lebenswichtige Wasser.
Glubb Pascha blieb inmitten des allgemeinen Meeres an hochgepeitschtem Fanatismus und der Barbarei menschlich. Er duldete keine Übergriffe der Araber auf die gefangenen Juden; und er adoptierte zwei arabische Waisenkinder.
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Nicht nur im Westjordanland wurde gekämpft. Im Norden waren die Syrer eingefallen und versuchten, Galiläa unter ihre Kontrolle zu bringen. Im Süden drangen die Ägypter ins Land, mit der Absicht, sich einen Teil der palästinensischen Beute zu sichern. Und es gab die Armee des Heiligen Krieges, einen 12.000 Mann starken paramilitärischen Verband der palästinensischen Araber, dirigiert von dem in Kairo im Exil lebenden ehemaligen Großmufti von Jerusalem. Der Vollständigkeit wegen muss erwähnt werden, dass auch irakische Einheiten in Palästina präsent waren, und zwar im nördlichen Teil des Westjordanlandes. Auch der Libanon hatte Israel den Krieg erklärt, doch dessen Armee war zu mickrig, um bei den Kämpfen in Erscheinung zu treten.
Die Akteure des palästinensischen Theaters, wie die Engländer einen Kriegsschauplatz nennen, waren auf den Plan getreten, die Tragödie konnte beginnen. Es kann nicht die Aufgabe dieser Schrift sein, die Details der sich in den nächsten Wochen und Monaten abspielenden, von zwei Waffenstillständen unterbrochenen Kämpfe zu schildern. Im Vergleich mit dem, was später folgen sollte, waren sie eher mindere Gemetzel. Es wäre freilich falsch zu glauben, die arabischen Armeen wären gekommen, ihren palästinensischen Glaubensbrüdern zu ihrem Recht zu verhelfen. Vielmehr wollte man Israel vernichten und Palästina unter sich aufteilen oder, falls dieses Maximalziel verfehlt werden sollte, sich wenigstens einige Teile aus der palästinensischen Beute sichern. Entsprechend brüchig war daher die arabische Koalition. Besonders die jordanischen Erfolge wurden von den anderen Koalitionären eifersüchtig registriert. Auch der Mufti in Kairo war beunruhigt, denn ein Sieg seiner arabischen Brüder würde seinen Traum von einem eigenständigen palästinensischen Staat mit seiner Person an der Spitze in unabsehbare Ferne gerückt haben.
Es kam wie es kommen musste. Die maßvollen Jordanier behaupteten sich im Westjordanland, während die Armeen der anderen arabischen Länder binnen weniger Wochen und Monate aus Palästina vertrieben wurden, wobei die Israelis sogar entlang der Mittelmeerküste auf ägyptisches Gebiet vordringen konnten, sich aber auf englischen Druck hin von dort zurückziehen mussten.
Retrospektiv kann dieses Ergebnis wenig verwundern. Die Israelis hatten die Zeit genutzt; sie hatten sich in den Jahrzehnten davor die Strukturen zugelegt, die ein Staat benötigt; sie waren daher vom ersten Tag an in der Lage, die staatliche Autorität auf das ihnen zugedachte Gebiet auszuüben. Sie hatten eine nationale Ideologie, sie hatten Staatsmänner ― in der Person von Golda Meir sogar eine Staatsfrau ―, die diese Ideologie geformt hatten, sie hatten eine Regierung, eine Armee, einen Generalstab und was sonst noch alles zum Brimborium eines Staates gehört. Und sie waren international vernetzt. Mit einem Wort: Die Israelis waren im Stande, das Machtvakuum, das nach dem Abzug der Engländer entstanden war, von der ersten Stunde an auszufüllen.
Fast wäre ich in Versuchung, die israelische Staatskunst zu bewundern, würden mir nicht folgende Sätze einfallen, die Nietzsche seinem Zarathustra in den Mund gelegt hat: Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: „Ich, der Staat, bin das Volk.“
Seit Jahren redet man abwechselnd von der Einstaatenlösung, dann wieder von der Zweistaatenlösung und tritt auf der Stelle. Womöglich sollte sich Israel an seine anarchischen Anfänge erinnern und es mit der Nullstaatenlösung versuchen, diese zumindest in Erwägung ziehen…
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Mitten im Krieg von 1948, und zwar in der Zeit des ersten Waffenstillstands, kam es zu einem Ereignis, das bei Lichte betrachtet wie kaum ein anderes in nuce das Schicksal vorausnehmen sollte, dem der eben gegründete Staat entgegenging. Man könnte es gleichsam als sein Geburtshoroskop ansehen. Als Hauptakteure in der Konstellation dieses Horoskops sind drei Lebende und ein Toter zu nennen. Letzterer ist der 1940 in New York gestorbene radikale Zionist Jabotinsky, die Lebenden aber waren der erste Ministerpräsident Israels, David Ben Gurion, und zwei künftige Ministerpräsidenten, Menachem Begin und Jitzchak Rabin, alle Schwergewichte der israelischen Geschichte und Politik.
Wie die Exodus-Affäre ist auch dieser Vorfall nach einem Schiff, der Altalena, benannt. Die Altalena war ein Landungsboot der US-Marine, das die Irgun erworben hatte, um an den Engländern vorbei Immigranten nach Palästina zu bringen. Die Irgun hatte das Schiff selbstverständlich umbenannt und ihm das Schriftstellerspseudonym ihres Hausheiligen Jabotinsky als Namen gegeben.
Bei ihrer letzten Fahrt nach dem Gelobten Land hatte die Altalena nicht nur 950 von der Irgun rekrutierte Männer im wehrfähigen Alter an Bord, sondern auch eine große Menge an Waffen, die die Irgun in Frankreich bestellt hatte. An der Frage, wer diese Waffen bekommen solle, entbrannte ein blutiger Streit.
Am 31. Mai 1948, wenige Tage vor dem Eintreffen der Altalena am 11. Juni, wurden die IDF, also die Armee des neuen Staates Israels gegründet. In ihr sollten alle paramilitärischen Organisationen des Landes aufgehen, also die Hagana und ihre Untergrundorganisation Palmach, aber auch Begins Irgun und die Lechi. Begin, um seine Macht und seinen Einfluss besorgt, war zwar bereit, seine Einheiten der staatlichen Armee zu unterstellen, allerdings nur für den Kampf innerhalb der Grenzen des neuen Staates. Außerhalb dieser wollte er auf eigene Faust weiter für das Großisrael seines verstorbenen Mentors Jabotinsky kämpfen. Dieses „Außerhalb“ war natürlich jener Teil Palästinas, der nach dem UN-Teilungsplan arabisch werden sollte.
Begin beanspruchte daher die Waffen, welche die Altalena ins Land brachte, exklusiv für die Organisation, die er befehligte. Das konnte von Ben Gurion nicht hingenommen werden, denn das hätte die Autorität der Regierung, der er seit wenigen Wochen vorstand, gefährdet. Er befürchtete, wohl zurecht, die Errichtung einer Armee in der Armee und das Putschpotential dieser Armee gegen seine Regierung.
Als sich die Altalena der israelischen Küste näherte, einigte man sich nach einigem Hin und Her, dass sie am Strand nördlich von Netanja, einer Hochburg von Ben Gurions Arbeiterpartei, landen und entladen werden sollte. Als das Schiff eintraf, konnte die Irgun einen Teil der Waffen an Land bringen, doch dann wurde der Landebereich von Einheiten der Hagana und des Palmach umstellt und die Irgun ultimativ aufgefordert, die Waffen bis auf einen Rest von zwanzig Prozent an die Soldaten der Regierung zu übergeben. Als der die Landung beaufsichtigende Begin diesen Kompromiss ablehnte, kam es zu einer Schießerei, an der sich aber nicht alle Soldaten der Hagana beteiligten, weil sie es ablehnten, auf Juden zu schießen. Auf Vermittlung der örtlichen Siedler wurde die Schießerei, die einige Tote zur Folge hatte, schließlich eingestellt und die bereits an Land befindlichen Waffen den Soldaten der Hagana übergeben.
Die Altalena nahm Begin an Bord und nahm Kurs auf Tel Aviv. An diesem politisch für ihn günstigeren Ort hoffte der Irgunführer, die restlichen Waffen entladen zu können, ohne sie der Regierung übergeben zu müssen. Das Schiff strandete symbolisch exakt ausgerechnet hundertfünfzig Meter vor dem Hauptquartier der Palmach, in dem sich, wiederum symbolisch exakt, zufällig einer ihrer jungen Kommandeure aufhielt: Jitzchak Rabin, der vierte in der von mir so bezeichneten Konstellation.
Die Palmach, ab 1948 das Rückgrat der israelischen Armee, war eine Elitetruppe, welche die Engländer 1941 aus den Reihen der Hagana gebildet hatten. Gemeinsam mit ihr wollte man einen möglichen Angriff Deutschlands auf Palästina abwehren. Später, als diese Gefahr gebannt war, kämpfte die Palmach als Teil der Jüdischen Brigade auf Seiten der Alliierten. Mit der Irgun war sie verfeindet, da sie nach 1945 den Engländern bei der Bekämpfung des jüdischen Terrors assistierte. An ihrer Loyalität zur Regierung Ben Gurions konnte nicht gezweifelt werden. Es war daher naheliegend, eine ihrer Einheiten zu beauftragen, mit der Irgun den Showdown um die Waffen auszutragen, zumal der örtliche Kommandeur der Hagana befürchtete, ein Teil seinen Truppen würde sich weigern, auf Juden zu schießen, wie das zuvor ja schon am Strand von Netanja geschehen war. Zum Kommandanten dieser Einheit wurde der junge Jitzchak Rabin bestimmt, der damit zum ersten Mal in den Brennpunkt der Geschehnisse geriet und dessen persönliches Schicksal mit dem seines Landes auf das Engste verwoben ist.
Als sich die erste mit Waffen beladene Barkasse der Altalena dem Strand näherte, eröffnete die Palmach das Feuer. Es gab einige Tote und Verletzte, wonach das Feuer und die Landeversuche für einige Stunden eingestellt wurden. Nach einer Krisensitzung der Regierung wurde die Altalena ultimativ aufgefordert, alle Waffen an die Palmach zu übergeben. Als man diesem Befehl nicht nachkam, wurde das Schiff vor den Augen einer großen Menge an Schaulustigen mit einer Kanone in Brand geschossen. Weil der Kapitän der Altalena befürchtete, das Schiff könnte wegen der an Bord befindlichen Munition explodieren, wurde die weiße Fahne gehisst und die an Bord befindlichen Passagiere aufgefordert, sich schwimmend an das nahe Ufer zu retten. Begin wurde an Land gebracht und entging seiner Festnahme. Über den Untergrundsender der Irgun forderte er seine Kämpfer auf, das Feuer einzustellen.
Ben Gurions Regierung hatte ihren Willen durchgesetzt, der junge Staat seine erste innenpolitische Zerreißprobe bestanden.
Insgesamt kamen bei den Gefechten sechzehn Irgun-Kämpfer und drei Regierungssoldaten ums Leben. Zweihundert Irgun-Kämpfer wurden für wenige Wochen festgenommen, die Irgun aber, wie die Hagana und die Palmach auch, als selbständige Organisation aufgelöst und ihre Kämpfer dem einheitlichen Kommando der im Entstehen begriffenen israelischen Armee unterstellt. Der Rottenmeister Begin hatte die Machtprobe mit dem alten Löwen Ben Gurion verloren. Vorerst weitgehend entmachtet, beschloss er, Politiker zu werden und machte sich auf den Weg durch die Institutionen. Er gründete die Cherut-Partei, welche 25 Jahre später zum Seniorpartner des Bündnisses werden sollte, das sich den Namen Likud gab und das Ben Gurions Arbeiterpartei Mapei/Awoda als dominierende politische Kraft Israels ablöste. Die Geschicke des Landes bestimmt Likud bis auf den heutigen Tag.
Die Altalena brannte zwar, doch sie explodierte nicht. Als rußgeschwärztes Menetekel steckte sie noch etwa ein Jahr lang am Strand von Tel Aviv fest. Dann wurde sie aufs offene Meer geschleppt und dort versenkt. Aus den Augen, aus dem Sinn, wenn man so will. Doch die Kluft zwischen links und rechts war nicht so leicht aus der Welt zu schaffen. Sie blieb bestehen, ja sie vertiefte sich sogar. Ben Gurion nahm den Namen „Begin“ nie mehr in den Mund, sondern er nannte ihn, wenn er genötigt war, über ihn zu sprechen, immer nur den Mann, der in der Knesset neben dem Abgeordneten Soundso sitzt. Die Kanone aber, welche die Altalena in Brand geschossen hatte, kann am Ort des Geschehens auch heute noch besichtigt werden.
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Rabin wurde 1974 zum ersten Mal Ministerpräsident, sein alter Widersacher Begin löste ihn im Jahr 1977 ab. Die sterblichen Überreste des Mannes aber, nach dem die Altalena benannt war, konnten erst dann von New York nach Israel überführt werden, als Ben Gurion abgetreten war.
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Welch finstere Kräfte an der Wiege des neuen Staates gestanden haben, zeigt auch die Ermordung des Grafen Bernadotte durch die Lechi. Diese in dem vorliegenden Text schon öfter erwähnte Terrororganisation war eine Abspaltung der Irgun, wie diese eine Abspaltung der Hagana war. Entzweit hatte man sich an der Frage, welche Politik man nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gegenüber der englischen Mandatsmacht verfolgen sollte. Hatte man die Engländer, des Weißbuchs wegen, zuvor noch gemeinsam bekämpft, entschied sich die Mehrheitsfraktion der Irgun zu Kriegsbeginn für eine Kooperation mit ihnen, die Lechi hingegen sah den Hauptfeind nach wie vor in England und hoffte vergeblich auf die Unterstützung durch Deutschland. Freilich war damals noch nicht bekannt, welchem Schicksal die europäischen Juden entgegengingen.
Graf Bernadotte, der Präsident des schwedischen Roten Kreuzes, hatte 1945 ein Waffenstillstandsangebot Himmlers entgegengenommen und an die Alliierten weitergeleitet. Im Mai 1948 wurde er von der UNO nach Israel entsandt, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Den Zorn der Zionisten, insbesondere der radikalen unter ihnen, erregte er, weil er sich für die Rückkehr der geflüchteten Palästinenser in ihre Heimatdörfer, die Internationalisierung Jerusalems und die Rückgabe der Negevwüste an die Araber einsetzte. Die Führung der Lechi, der auch der spätere israelische Ministerpräsident Jitzhak Shamir angehörte, beschloss daher, ihn zusammen mit dem UN-Beobachter André Serot aus dem Weg zu räumen. Eine Ungeheuerlichkeit, die deutlich zeigt, dass es in Israel Kräfte gab, die vor nichts zurückschreckten, auch nicht vor der Ermordung der Repräsentanten jener internationalen Organisation, der man seine staatliche Existenz verdankte.
Die Morde wurden nie gesühnt, die Drahtzieher nie verfolgt und vor Gericht gestellt. Die UNO musste ohnmächtig den Mord an ihren Beauftragten hinnehmen, die Regierung Ben Gurions aber zog schon bald mit einer Generalamnestie den Schlussstrich unter diese Affäre. In Begins Cherut-Partei fanden die Aktivisten der Lechi mit denen der Irgun wieder zu einander, denn der Grund ihrer Entzweiung war mit dem Abzug der Engländer entfallen.
Nachzutragen wäre an dieser Stelle auch noch die Ermordung des englischen Staatsministers für den Nahen Osten Walter Edward Guinness im Herbst 1944 in Kairo, ebenfalls durch Angehörige der Lechi. Der mit Churchill eng befreundete Guinness sorgte sich um die arabisch-englischen Beziehungen. Er stand daher der Gründung eines Judenstaates in Palästina ablehnend gegenüber und schlug stattdessen seine Errichtung auf deutschem Boden vor, was ein Akt der historischen Gerechtigkeit gewesen wäre. Ein solcher Boden hätte beispielsweise Schlesien oder Ostpreußen sein können, beides Gebiete des besiegten Deutschen Reiches, die Polen zugeschlagen wurden, nachdem die Rote Armee die deutsche Bevölkerung von dort vertrieben hatte. Auf Guinness‘ Anraten wurde auch der Vorschlag Himmlers, bis zu einer Million Juden gegen die Lieferung von 14.000 LKWs nach Israel zu lassen, von den Alliierten abgelehnt.
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Das Ergebnis des Krieges von 1948 war, dass die Israelis ihr Gebiet beträchtlich vergrößern konnten. Statt der 55 Prozent des ehemaligen Mandatsgebietes, das ihnen laut UN-Teilungsplan zugedacht worden war, beherrschten sie nun 77 Prozent. Freilich ist zu berücksichtigen, dass ein großer Teil davon die große unfruchtbare Negev-Wüste war. Landgewinne konnten sie insbesondere in Galiläa verzeichnen. Auch ein schmaler Streifen des Westjordanlandes sowie der Korridor von der Küste nach Westjerusalem wurde israelisch. Vermerkt sei außerdem noch, dass der Gazastreifen, nach dem UN-Teilungsplan Israel zugedacht, ägyptisch wurde, wohl deshalb, weil 1948 kaum Juden dort siedelten und er von palästinensischen Flüchtlingen voll war.
Der andere Sieger des Krieges hieß Jordanien, denn das Land konnte das Westjordanland okkupieren und sich darin behaupten. Verloren haben die arabischen Regierungen. Großsprecherisch hatte ihre Propaganda ihren Völkern vorgegaukelt, man werde einen glänzenden Sieg erringen, den Zionismus vernichten und die Juden im Meer ersäufen. Da sie es nicht gewagt hatten, ein realistisches Bild vom Kriegsverlauf zu geben, war, nachdem die arabische Niederlage nicht mehr geleugnet werden konnte, die Wut und die Enttäuschung der fanatisierten Menschen groß. Nach und nach wurden die arabischen Regierungen gestürzt und ihre Spitzen ermordet. Die Ausnahme war wiederum Jordanien.
Der Krieg hatte hunderttausende Flüchtlinge zur Folge. Dass die Palästinenser aus dem Gebiet des entstehenden Israel flüchteten oder flüchten mussten, ist allgemein bekannt ― die propalästinensische Propaganda erinnert immer wieder daran. Bekannt ist ebenfalls, dass Israel den Geflohenen die Rückkehr verweigerte und alles was sie an Besitz zurückgelassen hatten, insbesondere ihren Grund und Boden, konfiszierte. Weniger bekannt sind die antijüdischen Ausschreitungen in den besiegten arabischen Ländern nach dem Krieg und die Vertreibung der Juden aus diesen. Fast eine Million orientalischer Juden mussten die islamischen Länder, in denen sie seit Jahrhunderten gut integriert waren, verlassen, unter Zurücklassung ihres gesamten Besitzes. Ein beträchtlicher Teil von ihnen floh nach Israel. Allein bis 1951 erreichte über eine Viertel Million von ihnen den neuen Staat und sorgte für einen sprunghaften Anstieg seiner Bevölkerungszahl.
Der Untergang der jüdischen Gemeinden in den arabischen Staaten zeigt, wie brüchig, ja verfehlt das zionistische Projekt in Wahrheit war. Ging es diesem nicht darum, den Juden der Welt eine nationale Heimstätte zu schaffen? Das ist zweifellos geschehen und kann auf der Habenseite der zionistischen Bilanz verbucht werden. Es gilt aber auch, die Sollseite dieser Bilanz zu betrachten und das Schicksal jener Juden zu würdigen, die durch das zionistische Projekt ihre Heimstätte verloren haben, indem sie packen und aus den arabischen Ländern, in denen sie seit vielen Jahrhunderten gut integriert gelebt hatten, emigrieren mussten. Viele, vor allem die Armen unter ihnen, emigrierten nach Israel, wo sie zumindest in den ersten Jahren ein Schicksal erwartete, welches dem der Palästinenser nicht unähnlich war. Wie die Geflüchteten unter diesen mussten sie in Lagern leben, wie jene von ihnen, die in Israel geblieben waren, wurden sie von dem damals noch den Ton angebenden aschkenasischen Teil der israelischen Bevölkerung als Bürger zweiter Klasse verachtet.
Betrachten wir als Beispiel das Ende der jüdischen Gemeinde im Irak und die wenig gewürdigte Tragödie, welche dieses Ende für das Judentum bedeutete. Im heutigen Irak gab es eine jüdische Gemeinde seit der babylonischen Gefangenschaft der Juden in der Zeit des Königs Nebukadnezar des Zweiten und der ersten Zerstörung des Jerusalemer Tempels vor über zweieinhalb Jahrtausenden; also schon in den Tagen, da auf der Akropolis zu Athen oder auf dem Kapitol zu Rom noch die Schafe weideten.
Die Bedeutung der babylonischen Gemeinde für das Judentum kann kaum überschätzt werden und steht der Bedeutung Jerusalems kaum nach. War die Richtung, die das Judentum nach der zweiten Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch den späteren römischen Kaiser Titus einschlug, nicht maßgeblich in Babylon gestaltet worden? War es nicht im kosmopolitischen Babylon, wo der jüdische Geist geschärft wurde? Ist nicht der nach der Bibel vielleicht wichtigste Text des Judentums, der babylonische Talmud, benannt nach dem Ort seines Entstehens? Ist es überhaupt denkbar, dass das Judentum überlebt haben würde ohne das religiöse Fundament, das in Babylon gelegt wurde?
Die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Staaten sind die Kehrseite der Medaille. Wie die palästinensischen Flüchtlinge mussten auch sie fürs erste mit primitiven Flüchtlingslagern vorliebnehmen, denn Israel war auf einen solchen Flüchtlingsstrom nicht vorbereitet. Doch nach und nach, unter Maßgabe der Leistungsfähigkeit des jungen mit Anfangsschwierigkeiten kämpfenden Staates, wurden diese Neuankömmlinge in die damals noch aschkenasisch geprägte Mehrheitsbevölkerung integriert. Das war eine Leistung, die nicht hoch genug zu würdigen ist und die man bei der Gesamtbeurteilung Israels nicht außer Acht lassen sollte.
Die Palästinenser hingegen wurden kaum irgendwo integriert; teilweise leben sie und ihre Nachkommen auch heute noch in den armseligen Lagern, in denen man sie nach ihrer Flucht gepfercht hatte. Sie erhielten in den Ländern, in die sie geflüchtet waren, weder Staatsbürgerschaft noch Arbeitserlaubnis und waren auf internationale Hilfe angewiesen. Die Ausnahme ist wiederum Jordanien, das der einzige arabische Staat war, der zumindest Teilen der ins Land geflüchteten Palästinensern die Staatsbürgerschaft anbot.
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Bei einigem guten Willen hätte man nach dem Krieg von 1948 Frieden schließen können. Auf beiden Seiten gab es Vertriebene, auf beiden Seiten Flüchtlingsströme, und was den Israelis möglich war, nämlich geflüchtete mittellose Juden zu integrieren, wäre auch den arabischen Staaten mit den geflüchteten Palästinensern zumutbar gewesen, insbesondere wenn man bedenkt, wie groß die arabische Welt im Vergleich mit dem winzigen Israel war und ist. Das Allervernünftigste wäre aber die Annexion des Westjordanlandes an Jordanien gewesen und die Anerkennung dieser Annexion durch die Weltgemeinschaft, denn das hätte für klare Verhältnisse gesorgt.
Doch am guten Willen mangelte es, insbesondere auf der arabischen Seite, wenn man vom jordanischen König Abdallah absieht. Im Juni 1951 klagte dieser einem amerikanischen Diplomaten sein Leid:
Ich bin ein alter Mann. Ich weiß, dass meine Macht begrenzt ist. Ich weiß, dass ich von meinem Sohn gehasst werde. Ich weiß auch, dass mich mein eigenes Volk für meine Friedensbemühungen verabscheut. Aber trotzdem weiß ich, dass ich eine Friedenslösung finden könnte, wenn ich nur etwas Unterstützung erhielte und wenn ich von Seiten Israels vernünftige Zugeständnisse erhalten könnte.
Einen Monat später wurde König Abdallah in der Al-Aksa-Moschee zu Jerusalem erschossen, und zwar von einem Palästinenser, der dem ehemaligen Großmufti Mohammed Amin al Husseini nahestand. Sein minderjähriger Enkel, der spätere jordanische König Hussein, war Augenzeuge dieser entsetzlichen Tat. Die Verbindung des Attentäters zum ehemaligen Großmufti ist vielleicht ein Hinweis dafür, dass Abdallah nahe dran war, die geforderte israelische Unterstützung zu erhalten.
Doch trotz des Attentates behaupteten sich die Haschimiten auf dem jordanischen Thron ― sie tun es bis heute. Ein Jahr nach dem Attentat auf König Abdallah wurde der nicht ganz siebzehnjährige Hussein zum König proklamiert, denn sein Vater, der dem Ermordeten unmittelbar nachgefolgt war, litt an Schizophrenie, erwies sich für sein Amt als ungeeignet und musste den Thron für seinen Sohn räumen. Dieser sollte, ein würdiger Nachfolger seines Großvaters, 47 Jahre König bleiben, trotz der mehr als dreißig Attentate, die auf seine Person verübt wurden und trotz mehrerer Komplotte, unternommen zu seinem Sturz. Zur Seite stand dem jungen König in den ersten Jahren seiner Regierung Glubb Pascha, der verdienstvolle General und Berater seines Großvaters. Doch wurde Glubb für die israelfreundliche Friedenspolitik König Abdallahs verantwortlich gemacht, die einem Großteil der Jordanier, besonders aber den palästinensischen Flüchtlingen und den anderen arabischen Regierungen ein Dorn im Auge war. Dem Druck, der auf den jungen König ausgeübt wurde, konnte dieser nicht standhalten, ohne die haschemitische Herrschaft über Jordanien zu gefährden. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als im Jahr 1956, als die Suezkrise, von der gleich die Rede sein wird, hochkochte, den verdienstvollen Pascha und die in jordanischen Diensten verbliebenen englischen Offiziere zu entlassen. Unter Wahrung der persönlichen Freundschaft zum König ging Glubb in seine Heimat England zurück, wurde dort mit dem Hosenbandorden geehrt und starb hochbetagt.