Kleine Geschichte Israels - 8. Die Kriege von 1956 und 1967

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8. Die Kriege von 1956 und 1967

1956 ließ sich der junge israelische Staat zu einem militärischen Abenteuer verleiten. In Ägypten war 1952 der König von einer Gruppe junger Offiziere, allesamt Veteranen des Krieges von 1948, gestürzt worden. Unter diesen Offizieren war ein charismatischer Mann, der bald darauf die politische Bühne des Nahen Ostens betreten und für beinahe zwei Jahrzehnte lang der dominierende Akteur auf ihr werden sollte: Gamal Abdel Nasser. Als Nasser ägyptischer Präsident geworden war, verstaatlichte er den unter französischer Federführung und mit westlichem Kapital gebauten und 1869 eröffneten Suezkanal. Das wollten die durch zwei „gewonnene“ Weltkriege verzwergten ehemaligen Großmächte England und Frankreich nicht hinnehmen. Nach dem Schlachtplan, den sie in bester kolonialistischer Manier ausheckten, sollte zunächst Israel auf dem Landweg vorpreschen und Ägypten angreifen, England und Frankreich aber sollten dem jungen Staat mit ihren Kriegsflotten zu Hilfe eilen und den Kanal besetzen. Doch Nasser hatte sich außenpolitisch abgesichert, indem er sich vorsorglich an die UdSSR angenähert hatte. Der amerikanische Präsident Eisenhower, dem als ehemaligen alliierten Oberbefehlshaber die Schrecken des Krieges nur allzu gut bekannt waren, entschied sich, vor die Alternative gestellt, einen unter Umständen atomar ausgefochtenen Krieg gegen die UdSSR zu riskieren oder seine einstigen Verbündeten zurückzupfeifen, für das zweite und machte dem postkolonialistischen Spuk ein rasches Ende. Die Angreifer mussten sich zurückziehen, die UNO hinkte herbei und besetzte die Grenze zwischen Ägypten und Israel. Militärisch wurde Ägypten zwar besiegt, politisch aber ging das Land als Sieger aus dieser Krise hervor, denn der Suezkanal blieb verstaatlicht. Das ermöglichte es Präsident Nasser, sich zum unumstrittenen Führer der arabischen Welt und des Panarabismus aufzuschwingen. Die Vereinigte arabische Union wurde ins Leben gerufen. Sie bestand zunächst aus den Ländern Ägypten und Syrien. Später trat auch noch der Irak der Union bei. Zum ins Auge gefassten Beitritt des Nordjemens kam es nicht mehr, denn nach dem verlorenen Krieg von 1967 zerfiel die Union.

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Das Abenteuer, in das sich Israel 1956 verwickeln ließ, trug nicht zur Verbesserung seiner Beziehungen zum größten und bedeutendsten seiner arabischen Nachbarn bei, im Gegenteil. Es zeigte dem jungen Staat, wo es für ihn in Zukunft langgehen werde, nämlich weg von den perfiden Engländern und hinein in den Windschatten der USA. Es zeigt aber auch das Interesse, das England bei seinen Bestrebungen, einen jüdischen Staat zu gründen, geleitet hatte, nämlich sich einen Brückenkopf im Nahen Osten zu verschaffen.

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Im Juni 1967 kam es zu dem Waffengang Israels mit seinen arabischen Nachbarn, der als Sechstagekrieg in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Bevor ich auf diesen eingehe, einige persönliche Reminiszenzen. Ich war, als es zum Krieg kam, noch Schüler in Kärnten und sollte das Jahr darauf maturieren. Deutlich in Erinnerung geblieben ist mir die Begeisterung, mit der ich und meine Klassenkameraden die Waffentaten der israelischen Armee verfolgten. Vor allem war da ein Mann, den man die Ikone des Krieges nennen könnte: ein schneidiger israelischer General mit schwarzer Augenklappe, der uns imponierte wie zuvor nur der Revolutionär Che Guevara. Gemeint ist natürlich der spätere israelische Außenminister Moshe Dayan. Auch die israelfreundliche Berichterstattung des österreichischen Rundfunks trug das Ihre zu unserer Begeisterung bei. Jedenfalls wurden die täglichen Nachrichten darüber, wie tief in Feindesland die israelischen Panzer schon vorgedrungen waren, von uns Halbwüchsigen gierig verschlungen und mit Begeisterung aufgenommen. Das war bemerkenswert insofern, als der Antisemitismus der Nazis besonders in Kärnten noch deutliche Spuren hinterlassen hatte und die antisemitischen Klischees, die sie verbreitet hatten, nach wie vor im Schwang waren. Auch uns Schülern waren sie geläufig; sie wurden von uns nachgeplappert, obwohl niemand einen Juden persönlich kannte und schon deshalb keine schlechten Erfahrungen mit einem solchen gemacht haben konnte. Wie auch, es gab ja in Kärnten keine mehr. Das Wort „Jude“ war jedenfalls emotional hoch aufgeladen, ähnlich wie das Wort „Tschusch“, mit dem ich, meiner slowenischen Herkunft wegen, von meinen Mitschülern ab und zu bedacht wurde. Es hatte einen Stich ähnlich dem, wie ihn die vulgären Ausdrücke für das Geschlechtliche haben. Es in einer gewöhnlichen Konversation auszusprechen, war mit einem Tabu behaftet, hatte daher den Charakter von etwas Verbotenem; es kam einem über die Lippen nur, wenn man emotionalisiert war, zum Beispiel dann, wenn man als Tschusch geschmäht worden war. Und so war der größte Schimpf, den man einem anderen antun konnte, ihn als Juden zu bezeichnen, als Revanche für die Schmähung als Tschusch gleichsam. Der emotionelle Spagat, den ich in dieser Zeit zu bewältigen hatte, war groß. Auf der einen Seite die verächtlich gemachten Juden, auf der anderen die heldenhaften Israelis, die sich gegen eine gewaltige Übermacht zu behaupten wussten. Waren sie überhaupt Juden, fragte ich mich?

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Wie kam es zu dem Krieg, an dem wir Kärntner Naseweise solchen Anteil genommen hatten? ― Schon die Jahre davor hatte es große Spannungen zwischen den verfeindeten Staaten gegeben. So versuchten die Syrer den Israelis das überaus kostbare Wasser abzugraben, indem sie Projekte in Angriff nahmen, welche zwei den See Genezareth und in weiterer Folge den Jordan speisende Flüsse umleiten sollten. Das konnte von den Israelis nicht hingenommen werden, denn sie waren, ihrer rasch wachsenden Bevölkerung wegen, auf dieses Wasser angewiesen. Und auch zur Belebung der riesigen Negevwüste wurde vor allem eines benötigt: Wasser, die Bedingung allen Lebens auf Erden. Die Israelis zerstörten daher die im Bau befindlichen Einrichtungen der Syrer kurzentschlossen aus der Luft.

Spannungen gab es auch mit Jordanien. Die von der jordanisch kontrollierten Westbank aus operierende Fatah, wie der bewaffnete Arm der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO heißt, hatte bei einem Angriff einige israelische Grenzpolizisten getötet. Als Vergeltung drangen israelische Fallschirmjäger in Jordanien ein und sprengten vierzig Häuser. König Hussein, der vor diesen Ereignissen Geheimverhandlungen mit Israel geführt hatte, geriet unter großen Druck. Da er befürchten musste, gestürzt zu werden, war er genötigt, seine Politik gegenüber seinen arabischen Nachbarn zu ändern. Das ging so weit, dass er sich genötigt fühlte, die jordanische Armee dem ägyptischen Oberbefehl zu unterstellen.

Die Anschläge häuften sich, die arabische Kriegsrhetorik wurde immer schriller, die israelischen Verantwortlichen immer besorgter. Schließlich forderte der ägyptische Präsident Nasser die UNO auf, die entmilitarisierte Zone, die nach dem Krieg von 1956 zwischen Israel und Ägypten auf der Sinaihalbinsel eingerichtet worden war, zu räumen. Als die UNO dem nachkam und als Nasser auch noch die am Südzipfel des Sinai gelegene Straße von Tiran sperren ließ, wodurch kein vom Roten Meer kommendes Schiff mehr den Hafen von Eilat erreichen konnte, war das Maß voll. Die israelische Führung entschloss sich zum Präventivkrieg, der mit einer demütigenden Niederlage der Araber endete.

Die Überraschung gelang perfekt. Den ersten Schlag führte am 5. Juni die israelische Luftwaffe aus. Sie griff die ägyptischen Flugplätze an und zerstörte den Großteil der Flugzeuge, die sich Ägypten in der Zwischenzeit von der Sowjetunion zugelegt hatte, auf dem Boden. Dann rollten die Panzer. Ohne Unterstützung aus der Luft hatten die Ägypter keine Chance, die israelischen Panzer erreichten den Suezkanal und standen bereit, ihn zu überqueren und auf das gut hundert Kilometer entfernte Kairo vorzudringen.

Auch Jordanien konnte keinen ernsthaften Widerstand leisten. Die Israelis rückten in Ostjerusalem ein und besetzten das seit dem Krieg von 1948 von Jordanien okkupierte Westjordanland.

Schlecht erging es auch den Syrern. Nachdem Ägypten erledigt war, griffen die Israelis ihre Stellungen auf dem Golan an und vertrieben sie. Ein israelischer Vorstoß auf Damaskus lag im Bereich des Möglichen, doch schon am 11. Juni wurde auf internationalen Druck hin an allen Fronten ein Waffenstillstand vereinbart.

Die Israelis hatten auf ganzer Linie gesiegt. Sie kontrollierten die Sinaihalbinsel bis zum Suezkanal, der daraufhin für viele Jahre geschlossen bleiben sollte. Sie hatten sich auf den Golanhöhen festgesetzt, sie hatten das Westjordanland und somit ganz Jerusalem besetzt und sie hatten die Jordanier gezwungen, sich zurückzuziehen. Doch schon wenige Tage nach dem Sieg ihrer Truppen kündete die israelische Regierung an, die besetzten Gebiete zurückgeben zu wollen, und zwar unter der Bedingung, dass Frieden geschlossen werden würde und der Staat Israel diplomatisch anerkannt. Das waren, wie man wohl sagen darf, maßvolle, billige Bedingungen.

Die arabischen Führer ließen sich mit der Antwort etwas Zeit, doch auf der drei Monate später in Karthum abgehaltenen Konferenz der Arabischen Liga wurde die Tür krachend zugeschlagen, indem man dreimal Nein sagte: nein zum Frieden mit Israel, nein zu Verhandlungen mit Israel und nein zur diplomatischen Anerkennung seiner Existenz.

Die Reaktion der arabischen Machthaber ist verständlich. Zuviel an billigem nationalistischem Fusel hatten sie ihren Völkern schon kredenzt. Und sie hatten eine beschämende, sie ins Mark treffende Niederlage erlitten. Eine Verständigung mit Israel hätte ihre Regime unweigerlich ins Schleudern gebracht, indem noch radikalere, noch extremistischere Kräfte hochgespült worden wären. Diese hätten den Sturz ihrer Führer betrieben, indem sie die Herrschenden als Verräter an der arabischen Sache gebrandmarkt hätten.

Nasser, der bis dahin dominierende Akteur auf der pan-arabischen Bühne, hatte durch die Niederlage von 1967 sein Ansehen beim ägyptischen Volk weitgehend verspielt ― es war gerade noch ausreichend, dass er sich in seinem Amt behaupten konnte. Drei Jahre später starb er, und zwar in dem Monat, der als Schwarzer September in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Seine letzte politische Tat war, dass er den Waffenstillstand zwischen Jordanien und der PLO vermitteln konnte. Doch davon später mehr.